
Bauchtanz: Der Tanz von Frauen mit und für Frauen
Training für Bauch, Hüften und Geist. Alles zum Bauchtanz und wie Sie ihn im Verein integrieren.
24.02.2025 • 5 min Lesezeit
Die Herkunft des Bauchtanzes
Möglicherweise ist Raqs Scharqi – der Orientalische Tanz – der älteste Frauentanz der Welt. Aber wer vermag das schon zu sagen! Der Bauchtanz allerdings, wie wir ihn heute kennen, ist eine „Erfindung“ des späten 19. Jahrhunderts, als Europa den Orient entdeckte – und mit ihm eine frivole Exotik, die mit den ursprünglichen, weiblichen Tänzen wenig zu tun hat.
Aber der historischen Reihe nach. Die Bewegungen des Orientalischen Tanzes sind überall im Nahen Osten, in Nordafrika, Südeuropa und Indien zu finden und werden offenbar seit sehr langer Zeit dort praktiziert. Möglicherweise richtete sich der Tanz als Ausdruck weiblicher Macht und Spiritualität schon tausende Jahre vor Christus an weibliche Gottheiten wie die babylonische Ishtar. Eindeutiger verweisen etwa römische Darstellungen ägyptischer Tänzerinnen auf den „Bauchtanz“. Diese Tänze allerdings widersprachen den neuen monotheistischen Religionen grundlegend. Sie wurden als rituelle Handlungen der alten Religionen fast ausgelöscht und überlebten nur noch als Tradition.
Ende des 18. Jahrhunderts wandte sich Europa neugierig dem Orient zu. Reisende berichteten unter anderem von Tänzerinnen, die in Harems aufreizend für Männer tanzten. Die Phantasie vom Bauchtanz als verführerischem Tanz für Männer war geboren. Bei der Weltausstellung in Chicago 1893 wurde der Bellydance erstmals einem großen, internationalen Publikum gezeigt: Die Tänzerin „Little Egypt“ zeigte dort einen entblößten Bauch sowie ihre nackten Füße und unbedeckten Hände und Arme. Ein Skandal! Eine Sensation! Ein gefundenes Motiv für die Sensationspresse, für Burlesque-Shows und für das junge Medium Film. Übrigens: Eine der ersten und bis heute bekanntesten westlichen Bauchtänzerinnen war die berühmte niederländische Spionin Mata Hari.
In Ägypten erlebte der Bauchtanz in den 1930er und 40er Jahren ein regelrechtes Goldenes Zeitalter mit fulminanten Shows, Musicals und Musikfilmen. Seit Beginn der 1980er Jahre verbreitet sich der orientalische Tanz auch im Westen mit rasanter Geschwindigkeit. Er wurde um Elemente des klassischen Balletts erweitert; gleichzeitig wurde seine traditionelle orientalische Herkunft betont. Geblieben ist, dass der Bauchtanz in seinem Kern ein weiblicher Tanz ist, den Frauen als Feier ihrer Weiblichkeit mehr für sich als für ein Publikum tanzen.
Wie bewegt man einen Bauch?
Der heutige Bauchtanz basiert auf einer Kombination aus isolierten Bewegungen, rhythmischen Mustern und fließenden Übergängen. Im Gegensatz zu vielen westlichen Tanzformen liegt der Fokus auf der Beweglichkeit und Kontrolle einzelner Körperteile.
Die Bewegungen des Oberkörpers dominieren: Die Artikulation der Hüften steht im Vordergrund. Anders als bei vielen westlichen Tanzformen liegt der Schwerpunkt des Tanzes auf der Isolierung der Rumpfmuskulatur und nicht auf der Bewegung der Gliedmaßen durch den Raum.
Zusätzlich zu ihren Rumpfbewegungen verwenden die Tanzenden Ebenenwechsel, Bewegungsschritte, Drehungen und Pirouetten. Die Arme rahmen die Hüftbewegungen ein, betonen sie mit dramatischen Gesten und erzeugen schöne Linien und Formen um den Körper. Bewegungen wie tiefe Tritte und Arabesken, Rückwärtsbeugen und Kopfwürfe sind zusätzliche gelegentliche Akzente.
Die Grundtechniken bestehen aus Hüftbewegungen in Kreisen, in Achten oder in „Shimmys“, dem Zittern der Hüften. Brustkorb- und Oberkörperbewegungen verleihen dem Tanz Eleganz. Die namensgebenden Bauchrollungen entstehen durch Kontrolle der Bauchmuskulatur. Fließende Arm- und Handbewegungen rahmen die Tanzbewegungen ein und verstärken die Ausdruckskraft. Die einfachen, rhythmischen Schrittfolgen ergänzen die Bewegungen des Oberkörpers.
Kontrolle des Oberkörpers ist das Stichwort: Kein Wunder also, dass der Sport besonders die Rumpfmuskulatur, einschließlich Bauch-, Rücken- und Beckenbodenmuskulatur stärkt. Damit einhergehend verbessert sich die Körperhaltung und die Flexibilität von Gelenken und Muskeln.
Bauchtanz ist eine moderate körperliche Aktivität, die als solche den Kreislauf anregt und die Ausdauer fördert. Und wie jeder Tanz baut auch der Bauchtanz Spannungen und Stress ab, fördert das Selbstbewusstsein, die Kreativität und Musikalität und sorgt für ein soziales Miteinander.
Für wen ist Bauchtanz geeignet?
Tanzen nur Frauen den Bauchtanz? Jein. Traditionell gibt es männliche Bauchtänzer, die Zenne. Jedoch verschwand diese Tradition in den meist homosexuellen Bereich und Bauchtanz wurde zu einer Frauensache. Inzwischen sind in sehr religiösen Umfeldern wieder vermehrt männliche Tänzer zu bewundern. Üblich ist das allerdings nicht.
Für Frauen ist der Bauchtanz allerdings absolut empfehlenswert. Es gibt keine plötzlichen Bewegungen oder starke Belastungen, dadurch ist die Sportart sehr schonend und für jeden geeignet. Der Wechsel zwischen entspannter und angespannter Haltung zeigt bereits bei leichten Veränderungen einen Trainingseffekt, besonders auf die Bauch-, Rücken-, Beckenboden- und Gesäßmuskulatur. Gerade die Beckenbodenmuskulatur ist bei vielen Frauen stärkungsbedürftig, entsprechend ist Bauchtanz (wie überhaupt jede Tanzsportart) ein oft unbemerktes Training im Takt der Musik. Viele Frauen erleben übrigens positive Auswirkungen auf die Regelmäßigkeit des Zyklus und des Wohlbefindens während der Menstruation.
Im Bauchtanz werden auch tieferliegende Muskeln angesprochen: Nacken-, Brust- und Rückenmuskulatur – was sich wiederum positiv auf die Körperhaltung und Beweglichkeit auswirken kann. Und natürlich trainiert Bauchtanz nicht nur den Körper, sondern auch den Geist. In den Choreografien müssen Schritte, Armhaltungen und Hüftbewegungen gleichzeitig ausgeführt werden. Das fördert neben der Koordinations- auch die Konzentrationsfähigkeit.
Also: Tatsächlich können Frauen und Mädchen jedweden Alters und Fitnesszustandes bauchtanzen. Menschen mit schweren Rücken- oder Gelenkproblemen sollten ihre Bewegungen allerdings entsprechend anpassen. Bei akuten Verletzungen im Rumpf- oder Beckenbereich sollte auf Bauchtanz verzichtet werden.
Auch Tanzen braucht ein Warm-up
Beim Tanzen braucht es kein Warm-up? Falsch. Viele Frauen, die den schonenden Bauchtanz praktizieren, tun das gerade weil sie gesundheitliche Beschwerden haben oder diesen vorbeugen wollen. Ein umfassendes und abwechslungsreiches Warm-up muss also auch beim Tanzen sein.
Es empfiehlt sich, das Aufwärmen in einen allgemeinen und spezifischen Teil aufzuteilen und zehn bis fünfzehn Minuten einzuplanen. Beim allgemeinen Warm-up werden der ganze Körper und das Herz-Kreislauf-System auf das Training vorbereitet. Hierbei werden alle großen Muskelgruppen aktiviert, die Gelenke mobilisiert und die Durchblutung angeregt, um die Muskulatur auf die anstehenden Bewegungen vorzubereiten. Besonders die Wirbelsäule und die häufig beanspruchten Gelenke wie Hüft-, Knie- und Fußgelenke profitieren von einer gezielten Mobilisation.
Als spezifisches Warm-up können schon Vorübungen der Tanzbewegungen dienen – beispielsweise eine rhythmische Wippbewegung des Körpers, bei der die Knie abwechselnd leicht gebeugt und gestreckt werden, während der Oberkörper stabil bleibt. Diese Art der Bewegung aktiviert sanft die Bein- und Rumpfmuskulatur.
Beispielhaftes Warm-up beim Bauchtanz
Teil 1 – Allgemeines Warm-up: Mobilisation und Aktivierung (fünf Minuten)
- Schritt-Schritt-Arme hoch (eine Minute): Lockeres Gehen auf der Stelle, dabei die Arme im Wechsel nach oben und unten schwingen.
- Kreisende Schultern (eine Minute): Stehend die Schultern langsam nach hinten und vorne kreisen, erst einzeln, dann beide zusammen.
- Seitliches Neigen der Wirbelsäule (eine Minute): Stehen Sie aufrecht, die Hände in die Hüften gestützt. Neigen Sie den Oberkörper abwechselnd sanft nach rechts und links, um die seitliche Rumpfmuskulatur zu dehnen.
- Knie- und Hüftmobilisation (zwei Minuten): Stellen Sie sich mit leicht gebeugten Knien aufrecht hin. Kreisen Sie die Knie in beide Richtungen, danach die Hüften in großen, sanften Bewegungen.
Teil 2 – Spezifisches Warm-up (fünf bis sieben Minuten)
- Bauchatmung (eine Minute): Legen Sie die Hände auf den Bauch und atmen Sie tief ein und aus. Dies fördert die Körperwahrnehmung und bereitet die Bauchmuskulatur vor.
- Isolierte Beckenbewegungen (zwei Minuten): Üben Sie Beckenbewegungen wie Kippen nach vorne und hinten oder seitliches Verschieben des Beckens. Achten Sie auf langsame, kontrollierte Bewegungen.
- Armrunden mit Handgelenksmobilisation (eine Minute): Kreisen Sie die Arme langsam nach vorne und hinten. Integrieren Sie Handgelenksbewegungen, indem Sie die Hände sanft auf und ab bewegen.
- Wippbewegungen (zwei Minuten): Stellen Sie sich aufrecht hin, beugen Sie die Knie leicht und üben Sie eine kleine, rhythmische Wippbewegung aus den Knien.
Pailletten und Schleier?
Eine Bauchtänzerin trägt eine Haremshose, ein bauchfreies Oberteil und einen Klimpergürtel – so will es das Bild, das die breite Öffentlichkeit (und die Karnevalsausstatter) von diesem Sport haben.
Kann man machen, muss man nicht machen. Angesagt ist erst einmal einfache, bequeme Sportkleidung. Eine Sporthose jeglicher Art reicht, Leggings sind ebenfalls prima. Fortgeschrittene tragen eine Hose oder einen Rock, der sich auf die Hüften ziehen lässt. Geübte Bauchtänzerinnen betonen die Hüfte mit einem Tuch – Fransen oder kleine Klimperglöckchen am Saum akzentuieren die Bewegungen. Je schwerer das Tuch, um so besser. Eine Variante ist der Tanz mit dem Schleier, eine weitere Variante das Spielen mit Fingerzimbeln – beides Requisiten, die nur für bestimmte Stile genutzt werden.
Getanzt wird barfuß. Wer das nicht mag, trägt Gymnastikschläppchen. Bauchfrei? Nach Belieben: Der Tanz soll empowern – das ist das Wichtigste.
Wie Sie Ihre Vereinsmitglieder zum (Bauch)Tanzen bringen
Die Vielfalt macht den Orientalischen Tanz aus. Von den Folkloretänzen über Fantasietänze bis hin zu Tribaltänzen oder Revuetänzen – Sportvereine können anbieten, was zu ihnen und ihren Mitgliedern passt. Eine besondere Ausstattung – etwa ein Saal mit Spiegeln – wäre schön, ist aber nicht unbedingt nötig. Jede Art von Halle oder auch Mehrzweckraum mit rutschfestem Boden ist geeignet.
Wer trainiert Ihre Gruppe? Die Tanzsportverbände der Länder bieten eine Lizenzausbildung „Trainer*innen C Breitensport Orientalischer Tanz“ an. Infos erhalten Sie hier.
Seit 2008 gibt es das Deutsche Tanzsportabzeichen für Orientalischen Tanz (DTSA-OT). Wie bei allen anderen Sportabzeichen des DOSB wird auch dieses Tanzsportabzeichen von vielen Krankenkassen mit Bonusleistungen gefördert. Die Abnahme des DTSA-OT kann somit ein erstrebenswertes Ziel für alle orientalischen Tanzgruppen sein.
Wer auf hohem Niveau tanzt und den sportlichen Wettkampf sucht, kann sich als Ziel etwa auf die Deutsche Meisterschaft im Orientalischen Tanz oder die Deutsche Meisterschaft im Tribal Dance & Bollywood konzentrieren oder in Zusammenarbeit mit TAF Germany auch an Turnieren teilnehmen.
Übrigens: Tanzgruppen geben jeder Vereinskultur einen wunderbaren Energiekick. Denn Tanz ist mehr als Sport: Tanzen im Verein bedeutet soziales und geselliges Miteinander, das sich ganz automatisch nebenbei einstellt. Außerdem sind Tanzgruppen ein willkommener Programmpunkt bei Vereinsveranstaltungen und Feiern!
Bauchtanzmusik: Woher nehmen?
Im gesamten Nahen Osten und in der arabischen Diaspora ist Bauchtanz eng mit moderner klassischer arabischer Musik (bekannt als „al-jadid“) verbunden. In Ägypten wird spezielle Bauchtanzmusik produziert, die das rhythmische Element stärker betont. Passende Playlists finden sich bei den einschlägigen Streaming-Diensten.
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