Aufsichtspflicht im Verein
Die Aufsichtspflicht im Sportverein ist ein ernstzunehmendes und wichtiges Thema bei der Betreuung von Minderjährigen. Doch wer haftet im Ernstfall? Wir klären auf!
14.03.2023 • 5 min Lesezeit
Eltern in der Pflicht?
Eltern haben laut Bürgerlichem Gesetzbuch die Pflicht, ihre Kinder zu pflegen, zu erziehen und zu beaufsichtigen. Die Erziehung verantwortungsbewusster Eltern bewegt sich zwischen Kontrolle und Loslassen, zwischen Aufsichtspflicht und der Selbstständigkeit des Nachwuchses. Und dann sind da noch die Zeiten, in denen Eltern ihre Kinder mitsamt der Aufsichtspflicht in fremde Hände abgeben. In der Kita, in der Schule und auch beim Vereinssport. Wir erklären, wo genau die Aufsichtspflicht von den Eltern an andere Personen übergeht und was diese dann wissen sollten.
Wann beginnt die Aufsichtspflicht von Trainern und Übungsleitern?
Im Fall von Sportvereinen ist es so, dass die Eltern ihre Aufsichtspflicht für Kinder und Jugendliche an den Verein übertragen. Dieser delegiert sie wiederum an Trainerinnen, Trainer und Übungsleitende. Diese Übertragung geschieht per Vertrag. Das muss aber kein schriftlicher Akt sein. Eine Absprache reicht. Oder ein Signal: Der Übungsleiter signalisiert, dass er in dem Moment die Aufsichtspflicht übernimmt, in dem er die Tür zur Turnhalle aufschließt. Wann genau die Aufsichtspflicht von Eltern an Übungsleitende übergeht, bedarf also einer präzisen Absprache.
Was müssen Trainer und Übungsleiter tun, um ihrer Aufsichtspflicht nachzukommen?
Aufsichtspflichtige sollten
- beobachten,
- überwachen,
- belehren und
- aufklären.
Es kommt dabei immer auf das Alter, die Kenntnisse und die Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen an. Konkret bedeutet das, dass die Gruppe weiß, wie sie sich verhalten soll, wenn der Übungsleiter oder die Übungsleiterin kurz abwesend ist, möglicherweise nur, um die Toilette aufzusuchen.
Im Fall der Fälle sollten Trainerinnen und Trainer gefährliche Beschäftigungen beenden, gefährliche Gegenstände wegschließen und das älteste oder verantwortungsvollste Kind auffordern, Hilfe zu holen, wenn etwas passiert. Selbstredend darf man seine Schützlinge nur aus einem wichtigen Grund alleine lassen; ein kurzer Plausch mit einem Bekannten vor der Turnhalle gehört nicht dazu.
Der Landessportbund Nordrhein-Westfalen hat zusammen mit dem Versicherungsbüro bei der Sporthilfe NRW e.V., der ARAG Sportversicherung und der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft die umfassende Broschüre „Wie soll ich mich verhalten?“ herausgegeben. Dort werden 50 Fragen zu den Themen Recht und Versicherung beantwortet, darunter auch einige zur Aufsichtspflicht.
Wer haftet, wenn die Aufsichtspflicht verletzt wurde?
Denken Sie beim Thema Aufsichtspflichtverletzung auch zuerst an das gelbe Baustellen-Schild „Betreten verboten. Eltern haften für ihre Kinder“? Doch so einfach, wie es sich die Baustellenbetreiber damit machen wollen, ist es nicht. Es kommt immer auf den Einzelfall an, also auf die Situation und das Alter der Kinder. Und darauf, ob die Eltern oder auch die Übungsleitenden die Kinder aufgeklärt haben, was sie dürfen oder nicht. Schließlich haften Eltern wie Übungsleiter beziehungsweise deren Vereine nur, wenn sie ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sind.
Wenn ein Kind verletzt wird, etwas beschädigt oder einen Dritten schädigt, geht man aber erst einmal davon aus, dass der Aufsichtspflichtige seine Aufsichtspflicht verletzt hat und für den Schaden verantwortlich ist. Dieser muss dann beweisen, dass dem nicht so ist oder der Schaden auch bei ausreichender Beaufsichtigung und ständiger Belehrung entstanden wäre.
Die Regeln der Aufsichtspflicht lauten:
- Eltern haften nur, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben.
- Kinder unter sieben Jahren haften nie selbst. Für Schäden, die sie verursacht haben, müssen Eltern nur aufkommen, wenn sie ihre Pflichten verletzt haben. Der Geschädigte geht ansonsten leer aus.
Auch Übungsleiterinnen und Übungsleiter haften
Als Übungsleiterin oder Übungsleiter haften Sie persönlich, wenn Sie die Aufsichtspflicht verletzen. Gut zu wissen: Sie sind über eine gegebenenfalls bestehende Vereinshaftpflichtversicherung mitversichert. Da Sie im Regelfall vom Verein beauftragt sind, steht Ihnen ein Freistellungsanspruch gegen den Verein zu. Dies bedeutet, dass der Verein Sie von Schadensersatzansprüchen Dritter freistellen muss. Nach außen haften Sie allerdings möglicherweise erstmal.
Wie sind Übungsleitende abgesichert?
Der Deckungsumfang der Sport-Haftpflichtversicherung schützt Übungsleitende vor Ansprüchen Dritter. Im Fall des Falls prüft die Haftpflichtversicherung, ob berechtigte Schadensersatzansprüche bestehen und befriedigt diese. Wenn die Aufsichtspflicht nicht verletzt wurde, werden unberechtigt erhobene Schadensersatzansprüche zurückgewiesen. Werden die vermeintlichen Ansprüche des Anspruchstellers oder der Anspruchstellerin mit anwaltlicher Hilfe weiterverfolgt, führt die ARAG den außergerichtlichen Schriftverkehr für den Übungsleitenden und unterstützt bei einem Rechtsstreit.
Übungsleiterinnen und Übungsleiter brauchen einen soliden Versicherungsschutz
Übungsleitende nehmen eine zentrale Stellung im Verein ein. Und es wird viel von ihnen verlangt. Sie sollen neben ihrer sportspezifischen Qualifikation auch pädagogische Fähigkeiten besitzen. Sie müssen sich idealerweise auf sehr unterschiedliche Personengruppen einstellen – von Kleinkindern bis zu Seniorinnen und Senioren.
Auch die Verantwortungsbereiche sind vielfältig: Es geht um die richtige Ausgestaltung der Übungsstunde bis zur Durchführung eines Trainingslagers. Je nach Alter der zu betreuenden Sportlerinnen und Sportler werden an Überwachungs-, Fürsorge- und Obhutspflichten (Aufsichtspflichten) unterschiedlich hohe Anforderungen gestellt. So sind Übungsleiterinnen und Übungsleiter in verstärktem Maß der Gefahr ausgesetzt, Aufsichts- und Überwachungspflichten zu verletzen und sich dadurch schadensersatzpflichtig zu machen.
Unser Tipp: Elternabend im Sportverein für mehr Sicherheit und Transparenz
Wir empfehlen regelmäßige Elternabende, besonders aber einen zu Saisonbeginn, wenn neue Kinder dazustoßen. Hier kann unmissverständlich und transparent geklärt werden, wo die Aufsichtspflicht der Eltern aufhört und die des Vereins beginnt.
Im Grunde genommen beginnt bei Sportveranstaltungen mit Minderjährigen die Aufsichtspflicht mit dem Kommen der ersten Kinder und endet, wenn das letzte Kind abgeholt worden ist. Für den Hin- und Rückweg von zu Hause zur Sportstätte besteht keine Aufsichtspflicht für den Verein.
Machen Sie Eltern darauf aufmerksam, dass eine Unfallversicherung für Kinder eine optimale Absicherung bietet. Diese kann privat abgeschlossen werden und die Basisabsicherung des eventuell über den Verein bestehenden Unfallschutzes ergänzen.
Checkliste für den Elternabend zum Thema Aufsichtspflicht
Die Aufsichtspflicht in Umkleide und Dusche
Wenn die Aufsichtspflicht mit dem Kommen und Gehen der Kinder zu tun hat, schließt sie selbstverständlich auch die Umkleideräume und Duschen in Turnhallen und Schwimmbädern mit ein. Auf der anderen Seite steht selbstverständlich der Respekt vor der Intimsphäre der Sportlerinnen und Sportler.
Unsere Praxistipps:
Gemischtgeschlechtliche Gruppen sollten im Idealfall eine Übungsleiterin und einen Übungsleiter haben.
Wer als aufsichtspflichtige Person die Umkleidekabine betritt, sollte einen guten Grund dafür haben und es durch Ansagen oder Anklopfen ankündigen.
Die Aufsichtspflicht bei einer Ferienfreizeit
Verreisen minderjährige Vereinsmitglieder, besteht die Aufsichtspflicht grundsätzlich rund um die Uhr. Sie ruht allerdings, wenn die Begleiterinnen und Begleiter sicher sein können, dass alle Kinder und Jugendlichen schlafen. Aber auch nur so lange alles ruhig bleibt. Hört man nachts verdächtige Geräusche aus den Schlafräumen, startet auch die Aufsichtspflicht wieder.
In Absprache mit den Eltern kann die Aufsichtspflicht für gewisse Aktivitäten gestoppt werden. Der Klassiker: Die Kinder dürfen unbeaufsichtigt den nahe gelegenen Ort besuchen. Lassen Sie sich solche Dinge vor der Abreise stets von den Eltern unterschreiben. Nur wenn die Eltern zugestimmt haben, erlischt die Aufsichtspflicht der Begleitpersonen.
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