Ängstlicher Hund: So helfen Sie Ihrem unsicheren Vierbeiner
Der Alltag mit einem ängstlichen Hund kann eine Herausforderung sein. So wird Ihr Hund selbstbewusster und ausgeglichener.
06.06.2023 • 7 min Lesezeit
Wieso ein verständnisvoller Umgang mit ängstlichen Hunden so wichtig ist
Unabhängig von den Ursachen können übermäßige Angst und Nervosität bei Hunden sowohl für das Tier als auch für den Halter zu einem ernsthaften Problem werden. Bekommt ein Hund Angst, kann er unvorhersehbar reagieren, in Schockstarre verfallen, weglaufen oder sich verstecken. Im schlimmsten Fall wird der Hund aggressiv und beißt zu.
Bleibt die Angst beim Hund unbemerkt und daher unbehandelt, wirkt sie sich negativ auf sein Wohlbefinden aus – und damit auch auf die Lebensqualität der Halter. Die gute Nachricht ist: Durch richtigen Umgang können Sie Ihrem ängstlichen Schützling wieder Selbstvertrauen geben. Schimpfen, Bestrafen und Zwingen wirken bei ängstlichen Hunden kontraproduktiv. Besser ist es, Verständnis und Geduld zu zeigen. Der Hund beruhigt sich nur, wenn er weiß, dass er sich auf sein Herrchen oder Frauchen verlassen kann. Eine positive und vertrauensvolle Beziehung zwischen Mensch und Tier ist die Basis für eine starke Bindung – und damit für ein erfolgreiches Angsthundetraining.
Tierärztin Frau Dr. Gloßner zu typischen Verhaltensweisen bei ängstlichen Hunden
Mit über 20 Jahren Berufserfahrung als Veterinärmedizinerin ist Frau Dr. Gloßner schon etlichen ängstlichen Hunden begegnet – sowohl in ihrer Praxis als auch im Alltag. Im Video berichtet sie von klassischen Angstsymptomen und gibt Tipps zum richtigen Umgang mit ängstlichen Hunden.
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Angsthund verstehen – Gründe für das Verhalten Ihres Vierbeiners & nützliche Tipps
Angst ist bei Hunden – genau wie bei uns Menschen – ein Urinstinkt und ein Schutzmechanismus. Es gibt einige typische Ängste, mit denen Hunde zu kämpfen haben. Diese Auflistung hilft Ihnen, die Angst Ihres Hundes besser zu verstehen:
Ihr Hund fürchtet sich, denn im Dunkeln verarbeitet er Reize anders – vieles erscheint ihm als Bedrohung. Außerdem nimmt ein Hund immer die Anspannung seines Besitzers wahr und fühlt sich dadurch noch unsicherer. Er weigert sich, abends Gassi zu gehen, erstarrt draußen, bellt Bäume und Gegenstände an und zerrt an der Leine, wenn es wieder nach Hause geht.
Unser Tipp:
Machen Sie keine unbekannten Gassirunden im Dunkeln. Ihr Hund sollte die Strecke gut kennen und positive Assoziationen damit verbinden. Nutzen Sie gern eine Taschenlampe oder eine Kopflampe, um den Weg zu beleuchten. Nehmen Sie Blickkontakt zum Hund auf und loben Sie ihn ausgiebig.
Der Hund hat Panik vor dem Auto, vermeidet es, in die Nähe eines Wagens zu kommen und weigert sich, einzusteigen. Es kann sein, dass er das Auto als neu, ungewohnt und damit gefährlich sieht. Möglich sind auch negative Assoziationen mit Autofahrten, wie z. B. Reisekrankheit, Tierarztbesuche oder ein Autounfall.
Unser Tipp:
Gewöhnen Sie Ihren Hund in kleinen, aber regelmäßigen Schritten an das Auto. Zunächst sollte das Tier sich einfach in der Nähe Ihres Wagens aufhalten. Danach können Sie mit kurzen Fahrten beginnen, welche mit der Zeit immer länger werden. Wichtig ist, den Hund während der Übungen zu loben und zu belohnen. Achten Sie darauf, dass der Hund während der Autofahrt eine bequeme Haltung einnehmen kann und dass es im Auto nicht zu heiß bzw. zu kalt ist.
Wenn Hunde Angst vor Katzen haben, dann meistens wegen einer schlimmen Erfahrung. Eine Begegnung mit einer Katze kann unangenehm enden – oft sind Stubentiger nicht zimperlich, wenn es darum geht, sich zu verteidigen. Außerdem kann ein Hund einfach nur Angst vor dem Unbekannten haben und sich deshalb erschrecken, wenn er zum ersten Mal eine Katze sieht. Dieser Schreck manifestiert sich womöglich als Angst.
Unser Tipp:
Hat Ihr Hund Angst vor Katzen, hilft möglicherweise Folgendes: Gewöhnen Sie Ihren Vierbeiner zunächst an den Geruch der Katze und sorgen Sie für eine positive Verknüpfung, z. B. mit Leckerlis. Danach können die Tiere langsam zusammengeführt werden.
Der Hund hat Angst vor fremden Menschen, knurrt und bellt sie an oder zieht sich zurück und will am liebsten weglaufen. Wenn es um Angst vor Kindern geht, ist das besonders unangenehm für alle Beteiligten. Das laute, motorisch unbeholfene und wenig empathische Verhalten von Kindern kann einen ängstlichen Hund noch mehr verunsichern. Im schlimmsten Fall beißt er dann zu. Gründe dafür sind meist mangelhafte Sozialisierung oder schlechte Erfahrungen mit Menschen. Außerdem können Personen, die er nicht kennt und die sich neu und anders verhalten, auf den Hund bedrohlich wirken. Das Gute ist: Man kann dem Hund seine Angst vor Menschen abtrainieren.
Unser Tipp:
Zwingen Sie Ihren Hund nicht, auf Menschen zuzugehen, die er offensichtlich fürchtet. Vermitteln Sie durch eine aufrechte Körperhaltung und selbstbewusstes Verhalten Sicherheit. Gewöhnen Sie Ihren Hund ganz langsam an Menschen, indem Sie klein anfangen. Zunächst können Sie Spaziergänge mit ein, zwei guten Freunden in einer gewohnten Umgebung machen. Diese sollten dem Hund zu Beginn keine Aufmerksamkeit schenken. Erst wenn er sichtlich aufgetaut ist, kann miteinander interagiert werden – viel Lob und Leckerlis inklusive.
Der Hund wird nervös und unruhig oder aggressiv, wenn er seinen Artgenossen begegnet. Das kann vielfältige Gründe haben. Hat ein Welpe Angst vor anderen Hunden, ist das ganz normal, denn ihm fehlt die nötige Erfahrung. Hat ein ausgewachsener Hund Angst vor anderen Hunden und wird er auch noch aggressiv, dann sollten Sie unbedingt aktiv werden. Gründe für die Angst vor Artgenossen liegen meistens in mangelnder Sozialisierung, traumatischen Erfahrungen oder in Reizüberflutung (z. B. auf hektischen Straßen mitten in der Stadt).
Unser Tipp:
Zwingen Sie Ihren Hund nicht zur Interaktion, wenn er Furcht zeigt. Damit manifestieren Sie die Angst noch mehr. Halten Sie einen Sicherheitsabstand zu anderen Hunden, damit sich Ihr Vierbeiner nicht bedroht fühlt. Schreien, schimpfen und bestrafen ist kontraproduktiv. Beruhigen Sie den Hund stattdessen mit freundlichen Worten. Die Gegenkonditionierung funktioniert bei dieser Art von Angst gut: Jedes Mal, wenn Ihnen ein Hund entgegenkommt, geben Sie Ihrem Vierbeiner Leckerlis, bis der andere Hund außer Sichtweite ist. Mit der Zeit können Sie auf diese Weise den Abstand zwischen Ihrem Hund und fremden Artgenossen verringern.
Ihr Hund hat Angst vor Gewitter und versteckt sich, wenn es donnert? Damit ist er nicht allein. Viele Hunde haben Angst vor einem Knall oder allgemein vor lauten Geräuschen. Besonders stark leiden sie an Silvester. Es ist kein Wunder, dass ein Hund sich bei Knallgeräuschen stark erschreckt, wegläuft, zittert oder bellt. Hunde haben ein besseres Gehör als wir Menschen und nehmen Geräusche intensiver wahr.
Unser Tipp:
Manche Hunde fühlen sich bei Gewitter in einer mit Decken ausgelegten Transportbox besonders geschützt. Andere suchen die Nähe ihres Menschen – und sollten diese auch bekommen. Ein spezielles Thundershirt, das einen leichten Druck auf den Körper des Hundes ausübt, kann beruhigend auf das Nervensystem Ihres Schützlings wirken.
Treppen können auf einen Hund instabil und somit bedrohlich wirken. Besonders Welpen oder kleine Hunde haben Angst vor Treppen, die ganz schön hoch erscheinen und schwer einzuschätzen sind. Bei ausgewachsenen Hunden kann hinter der Angst vor Treppen ein medizinisches Problem stecken, z. B. wenn Ihrem Schützling das Treppensteigen Schmerzen bereitet.
Unser Tipp:
Auch hier gilt: Übung macht den Meister. Mit vielen Leckerlis und Lob können Sie Ihren Hund auf die Treppe locken und langsam Stufe für Stufe hoch- oder herunterführen. Erwarten Sie aber nicht, dass das Tier nach ein-zwei Tagen bereits angstfrei ist. Das Training braucht seine Zeit.
Wenn Hunde Angst haben: Typische Verhaltensweisen und körperliche Anzeichen
Ihr Hund wird plötzlich schreckhaft, zieht die Rute ein, macht sich klein, zittert oder wird ganz starr? Diese Verhaltensweisen lassen sich recht einfach deuten. Allerdings gibt es auch subtilere Anzeichen für Angst bei Hunden, die ganz individuell ausfallen. Diese Liste hilft Ihnen, die Gemütslage Ihres Hundes genauer einzuschätzen:
Mögliches Verhalten bei Angst:
- Zittern und Schütteln
- Hecheln
- Gähnen
- Schrilles Bellen und Jaulen
- Zuschnappen und Beißen
- Ausgiebiges Lecken von Nase, Schnauze, Fell
- Unruhiges Herumlaufen
- Rückzug oder Verstecken
- Zerstörungswut
Ängstliche Körpersprache:
- Eingezogene Rute
- Gekrümmte Körperhaltung
- Angelegte Ohren
- Abgewandter Blick
- Nach hinten gezogene Mundwinkel
Physische Angstreaktionen:
- Inkontinenz
- Durchfall
- Erbrechen
- Appetitlosigkeit
- Speichelfluss
- Vergrößerte Pupillen
Gut zu wissen: Ein Besuch beim Tierarzt kann nicht schaden, denn bei ca. 1/3 aller Hunde haben übermäßige Ängstlichkeit und Nervosität medizinische Ursachen.
Wie beruhige ich meinen Hund in akuten Situationen, die ihm Angst machen?
Die wichtigste Regel lautet: Bleiben Sie selbst ruhig. Zeigen Sie Ihrem Hund, dass Sie die Situation im Griff haben. Nehmen Sie gerne Körperkontakt auf, indem Sie Ihren Hund langsam streicheln. Vermeiden Sie hektische Bewegungen und achten Sie auf eine entspannte Körperhaltung. Versuchen Sie es mit speziellen Hundeohrstöpseln, wenn Ihr Vierbeiner ängstlich auf laute Geräusche reagiert. Etwas Lavendelöl wirkt ebenso beruhigend wie ein altes Kleidungsstück, das nach Ihnen riecht und auch Homöopathie für Hunde kann einen Versuch wert sein. Versuchen Sie verschiedene Maßnahmen und finden Sie heraus, was am besten für Ihren Hund funktioniert.
Vertrauen aufbauen durch Verhaltenstherapie & Trainingsmethoden für ängstliche Hunde
Das Angstverhalten von Hunden lässt sich mit Geduld, Verständnis und Beharrlichkeit korrigieren. Sie können Ihrem Vierbeiner zum Beispiel durch gezieltes Training helfen, seine Ängste zu überwinden. Spezielle Trainingsmethoden bauen die Angst des Hundes ab und stärken gleichzeitig sein Vertrauen zu Menschen, Artgenossen und der Umwelt.
Nachdem Sie das Angstverhalten Ihres Hundes analysiert haben, können Sie mit einer vorsichtigen Desensibilisierung beginnen und mit positiver Verstärkung arbeiten. Dabei wird der Hund langsam und schrittweise an die angstauslösenden Situationen gewöhnt und für richtiges Verhalten belohnt. Wichtig ist, das Tier nicht zu überfordern und ihm viel Geduld und Verständnis entgegenzubringen.
Wann lohnt sich die Zusammenarbeit mit einem Hunde-Experten?
Wenn die Selbsthilfe in Form von eigenständigem Training nicht ausreicht oder der Hund seinen Besitzer nicht ernst nimmt, sollte ein Hundetrainer, Verhaltenstherapeut oder verhaltensmedizinischer Tierarzt aufgesucht werden. Ein erfahrener Hundetrainer bzw. -berater kann die grundlegen Ursachen der Ängste herausfinden und spezielle Techniken für zu Hause entwickeln. So wird aus Ihrem ängstlichen, schüchternen Hund nach einiger Zeit ein selbstbewusster, gelassener Begleiter.
Effektive Übungen für ängstliche Hunde
Neben dem gezielten Angsttraining können Sie als Hundehalter daran arbeiten, das Selbstvertrauen und die Sicherheit Ihres ängstlichen Hundes zu stärken. Dazu eignet sich im Prinzip jede aktive Beschäftigung, die dem Hund Spaß macht und für die er belohnt wird. Dazu gehören Balancierübungen und Koordinationstraining, Apportieren, Positionswechsel und viele andere. In erster Linie geht es darum, das Körpergefühl Ihres Vierbeiners zu verbessern und ihm dadurch mehr Sicherheit und Vertrauen in sich und seine Umwelt zu geben.
Eine effektive Übung für ängstliche Hunde ist das Signaltraining. Sie können Ihrem Hund beibringen, Blickkontakt mit Ihnen aufzunehmen. Das hilft dabei, schwierige Situationen zu meistern, indem Sie seine Aufmerksamkeit auf sich lenken.
Ängstliche Welpen sozialisieren: So wird Ihr Hund mutig und gelassen
„Mein Welpe hat Angst vor mir, was tun?“ So mancher frischgebackene Hundebesitzer verzweifelt an seinem überängstlichen kleinen Vierbeiner. Viele haben das Gefühl, dass ihr Welpe vor allem Angst hat: Der Welpe wird ängstlich beim Gassigehen, fürchtet sich vor Autos, Menschen und Gegenständen. Diese Unsicherheit ist jedoch kein Grund zur Sorge, denn der Kleine kommt in eine völlig neue Welt. Und Unbekanntes ist immer potenziell gefährlich! Der Welpe verhält sich vorsichtig, und das ist gut so.
Die Sozialisierung des Welpen sollte jedoch nicht hinausgezögert werden, denn sie ist ein wichtiger Teil seiner Entwicklung. Sie trägt dazu bei, dass er zu einem selbstbewussten und gut angepassten Hund heranwächst. Sie sollten also so früh wie möglich mit der Sozialisierung beginnen, um sicherzustellen, dass der Welpe ein breites Spektrum an Erfahrungen sammelt, bevor er langfristige Angst vor etwas entwickelt.
- Bieten Sie Ihrem Welpen positive Erfahrungen und zeigen Sie ihm, dass es Spaß macht, Neues zu erkunden.
- Belohnen Sie ihn mit Leckerlis, Lob und Streicheleinheiten, wenn er sich mutig verhält.
- Lassen Sie Ihrem Welpen Zeit, sich an neue Erfahrungen zu gewöhnen.
- Seien Sie geduldig und beruhigen Sie ihn, wenn er beim Erkunden seiner Umgebung nervös wird.
- Sorgen Sie dafür, dass der Welpe ausreichend Gelegenheit hat, andere Hunde, Menschen und Orte kennen zu lernen.
- Überfordern Sie den Welpen nicht, indem Sie ihm zu viel auf einmal zumuten.
- Beginnen Sie langsam und steigern Sie allmählich die Intensität und Dauer neuer Erfahrungen.
Bleibt der Welpe trotz aller Bemühungen ängstlich, ist es sinnvoll, professionelle Hilfe bei einem Hundetrainer oder Verhaltensspezialisten in Anspruch zu nehmen.
Wie Sie Angststörungen Ihres Hundes vorbeugen
Damit es gar nicht erst zu Angstverhalten kommt, sollten Sie zunächst in eine vertrauensvolle und positive Beziehung investieren. Beginnen Sie schon bei den ersten Maßnahmen zur Welpenerziehung eine feste Bindung zu Ihrem Hund aufzubauen. So lernt er, dass er in jeder Situation sicher ist. Verbringen Sie viel Zeit mit Ihrem Vierbeiner, spielen Sie mit ihm und schenken Sie ihm Ihre Aufmerksamkeit.
Achten Sie auf eine gute Sozialisierung und ein ausgeglichenes Umfeld. Sorgen Sie für regelmäßige Bewegung und geistige Stimulation in Form von Spaziergängen, Spielen und Trainings. Vermeiden Sie negative Erfahrungen, die Ihrem Hund Angst machen können und achten Sie darauf, ihn nicht zu überfordern oder in gefährliche Situationen zu bringen.
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