Wann hat ein Foulspiel rechtliche Folgen?
21.06.2021
Ob Freizeitkicker oder hochbezahlte Profis: Wer seinen Gegenspieler beim Fußball rücksichtslos foult, haftet für die Verletzungen, die er dem Gegner bei dem unfairen Zweikampf zufügt. Manchmal folgt nach der gelben oder roten Karte auf dem Platz noch ein juristisches Nachspiel vor Gericht – in der Regel wegen Forderungen um Schadensersatz und Schmerzensgeld. ARAG Experten haben Fälle der letzten Jahre zusammengestellt.
Wer seinen Gegenspieler beim Fußball rücksichtslos foult, haftet für die Verletzungen, die er dem Gegner bei dem unfairen Zweikampf zufügt. So war bei einem Fußballspiel ein Spieler vom beklagten Spieler der gegnerischen Mannschaft mit gestrecktem Bein gefoult worden. Durch das vom Schiedsrichter mit der gelben Karte geahndete Foul zog sich der Kläger eine schwere Knieverletzung zu, in deren Folge er seinen Beruf als Maler und Lackierer lange Zeit nicht ausüben konnte. Für die nach seiner Darstellung durch eine grob regelwidrige Spielweise zugefügte Verletzung verlangte der Kläger vom Beklagten Schadenersatz, insbesondere Schmerzensgeld. Das OLG Hamm hat die Verurteilung des Beklagten zur Leistung umfassenden Schadenersatzes, unter anderem eines Schmerzensgeldes in Höhe von 50.000 Euro, bestätigt. Der Beklagte haftet, weil er unter Verstoß gegen die DFB-Fußballregel Nr. 12 rücksichtslos gehandelt hat. Er hat den zur Verletzung des Klägers führenden Zweikampf ohne jede Rücksicht auf die Gefahr und die Folgen seines Einsteigens für den Gegner geführt (OLG Hamm, Az.: I-6 U 241/11).
Anders als im ersten Fall haftet ein Fußballspieler in der Regel nicht, wenn er seinen Gegenspieler bei regelgerechter und dem Fairnessgebot entsprechender Spielweise verletzt. Das hat zur Folge, dass zivilrechtliche Klagen gefoulter und verletzter Fußballspieler selten Aussicht auf Erfolg haben. In einem konkreten Fall mussten sich die „Schiedsrichter“ des Landgerichts München I mit groben Fouls befassen. Ein Stürmer des FC Ismaning hatte gegen den Torwart aus Unterhaching geklagt, mit dem er zusammengeprallt war. Er erlitt dabei einen Unterschenkelbruch. Zwar bekam der Torwart die rote Karte für die Grätsche, doch für ausgefallene Unisemester und andere Folgen der Verletzung wollte der Gefoulte 10.000 Euro Schadensersatz und Schmerzensgeld. Der Torwart hingegen erklärte, dass er durchaus eine realistische Chance hatte, den Ball noch zu erreichen. Sein Versuch, den Schuss zu vereiteln, stelle somit eine normale Spielhandlung dar. Nach detaillierter Recherche kam die zuständige Richterin zu dem Ergebnis, dass keine absichtliche Blutgrätsche, sondern ein normaler Kampf um den Ball stattgefunden habe. Demnach leite sich auch kein zivilrechtlicher Haftungsanspruch aus dieser Regelwidrigkeit ab. Der Torwart musste daher nicht haften (LG München, Az.: 34 O 13010/05).
Das Oberlandesgericht Celle hat die Verurteilung eine Fußballers der Kreisklasse nach einem sogenannten Frustfoul bestätigt. Der Angeklagte hatte sich durch den Schiedsrichter benachteiligt gefühlt und seinen Gegenspieler mit ausgestrecktem Bein so verletzt, dass dieser vier Tage lang ins Krankenhaus musste und acht Wochen nicht arbeiten konnte. Vor allem hatte das Gericht zu entscheiden, ob der Angeklagte vorsätzlich gehandelt hatte und damit die Verletzung seines Gegners billigend in Kauf genommen hatte. Davon war die Berufungskammer überzeugt. Wegen der Höhe der Geldstrafe gilt der Angeklagte jetzt als vorbestraft.
Im Zuge der Urteilsbegründung hatte die Kammer in Celle (Az.: 36 Ns 97/19) ausdrücklich die Einzelfallentscheidung betont. Anders als der Verteidiger des Angeklagten erklärte, sei damit keinesfalls eine allgemeine Kriminalisierung des Breitensports oder des körperbetonten Spiels in der Kreisklasse verbunden.
Die Grätsche ist eine allgemein anerkannte Abwehrmethode beim Fußball – auch bei Altherrenmannschaften. Wenn diese meist etwas ruppige Methode dem Ball und nicht dem Gegner gilt, ist daran in der Regel nichts auszusetzen. Auch nicht, wenn sich der Ballführende dabei verletzt (OLG Nürnberg, AZ: 5 U 439/97). ARAG Experten weisen darauf hin, dass Fußball immerhin ein Kampfspiel ist, bei dem – auch schwere – Verletzungen selbst bei regelgerechtem Verhalten keineswegs ungewöhnlich sind. Wer solch eine Attacke nicht heil übersteht, sollte sich trotz allen Unmuts über die eigene Verletzung vor einem Rechtsstreit gut überlegen, ob er nachweisen kann, dass der Verteidiger mit seiner Abwehr grob gegen die Regeln verstoßen hat – z.B. mit einem Grätschangriff von hinten ohne Vorwarnung und ohne die Chance, den Ball zu erreichen. Die Richter waren nämlich der Ansicht, dass die Tatsache der schweren Verletzung nicht allein indiziert, dass die Grenzen einer zulässigen Abwehr überschritten seien, zumal selbst ein geringfügiger Verstoß noch kein Verschulden begründen würde.