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11.07.2017

Ob die große Düsseldorfer Kirmes, Cannstatter Wasen in Stuttgart, das Weinlesefest in Neustadt an der Weinstraße oder das Stadtteilfest: Volksfeste sind kein rechtsfreier Raum. Unsere Experten informieren über Kundenrechte und haben Beispiele aus der Rechtssprechung.

Wer überprüft Karussells und Fahrgeschäfte?

Kinder lieben Kettenkarussells, die „Wilde Maus“ und andere Fahrgeschäfte. Aber viele Eltern fragen sich, ob bei den teils wilden Fahrten auch die Sicherheit immer mit von der Partie ist. Bevor ein Fahrgeschäft in Betrieb genommen wird und zum Einsatz kommen darf, prüfen laut ARAG Experten unabhängige Sachverständige bei der Erstabnahme alle sicherheitsrelevanten Aspekte. Erst danach wird eine behördliche Genehmigung erteilt, mit der dann die Anlage in Betrieb genommen werden kann. Hinzu kommen bei jedem Aufbau die sogenannten Gebrauchsabnahmen. Dabei prüfen speziell ausgebildete Mitarbeiter der örtlichen Baubehörden vor jedem Jahrmarkt oder Volksfest die Funktionstüchtigkeit und Sicherheit der Anlage. Zudem gibt es regelmäßige Prüfungen – ähnlich wie der TÜV beim Auto – wenn die Karussells und Fahrgeschäfte in Betrieb sind.

Haften Fahrgeschäfte, wenn etwas passiert?

Der Inhaber oder Betreiber eines Fahrgeschäfts muss im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht alles Notwendige tun, damit die Fahrgäste nicht zu Schaden kommen. Dafür reichen die regelmäßigen Überprüfungen (Erstabnahme, Gebrauchsabnahme u.s.w.) in aller Regel aus. Passiert trotzdem ein Unfall, muss der Betreiber beweisen, dass dieser auf die Fahrlässigkeit der Fahrgäste zurückzuführen ist; andernfalls haftet er bzw. seine Versicherung. Allerdings kann bei der Nutzung eines Fahrgeschäfts wie einer Schiffschaukel eine absolute Sicherheit nicht verlangt werden. Typische Eigenart vieler Fahrgeschäfte ist nämlich ein gewisser Nervenkitzel, der durch das Bemühen um absolute Risikofreiheit verloren gehen würde (OLG Frankfurt am Main, Az.: 13 U 141/08).

Die Verkehrssicherungspflicht gilt selbstverständlich nur für das Minimieren einer Unfallgefahr. Ansonsten heißt es für die Gäste von Kettenkarussell, Autoscooter und Achterbahn: Betreten auf eigene Gefahr! Der Betreiber hat keine Möglichkeit, den Gesundheitszustand jedes einzelnen Fahrgastes zu überprüfen. Schwangere Frauen und ältere Kirmesgäste mit Herzschrittmacher sollten von sich aus so vernünftig sein und auf den ganz großen Nervenkitzel verzichten. Eltern müssen darüber hinaus darauf achten, dass ihre Kinder das Mindestalter und die Mindestgröße für das jeweilige Fahrgeschäft mitbringen. Täuschen sie den Betreiber oder das Personal eines Fahrgeschäftes und rutscht ein Kind unter Umständen durch einen zu großen Haltebügel, zahlt die Haftpflichtversicherung des Fahrgeschäftbetreibers unter Umständen nicht.

Gelten Kundenrechte auch auf der Kirmes?

Überlegen Sie sich lieber zweimal, ob Sie auf einem Jahrmarkt oder einem Volksfest ein Stofftier oder ein Haushaltsgerät kaufen. Einfach zurückgeben können Sie es nämlich nicht. Zwar gilt für außerhalb von Geschäftsräumen getätigte Käufe ein 14-tägiges Widerrufsrecht. Übt der Händler allerdings sein Gewerbe für gewöhnlich auf Jahrmärkten oder Volksfesten aus, ist dies sein Geschäftsraum; der Kundekann kann den Kaufvertrag nicht widerrufen. Und stellt sich die Ware als fehlerhaft heraus, ist auch ein Umtausch oder die Nachbesserung schwierig, da der Händler dann meist schon weitergereist ist. Auch wenn der Verkäufer auf Jahrmärkten oder Volksfesten natürlich gesetzlich genauso verpflichtet ist, dem Käufer eine mangelfreie Ware zu liefern. Deshalb raten ARAG Experten: Sie sollten sich im Falle eines Kaufs über den Namen und die Heimatanschrift des Verkäufers informieren; nehmen Sie beispielsweise eine Visitenkarte mit. Andernfalls dürfte es kaum möglich sein, die Ansprüche durchzusetzen, wenn der Marktstand abgebaut ist.

Wer zahlt bei Fremdkörpern im Essen?

Immer wieder kommt es vor, dass sich bei Hochbetrieb in der Volksfest-Gastronomie Fremdkörper im Essen befinden und sich der Gast durch beherztes Zubeißen seine Zähne beschädigt. Geschieht derartiges ist derjenige im Vorteil, der den Gegenstand des Übels noch vorweisen kann – zwecks Beweismittelsicherung. Ohne einen Beweis nämlich kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich beispielsweise im Fleisch ein Stein oder ähnliches verbarg, der Schuld am Verlust des ausgebissenen Zahnes war (BGH, Az.: VIII ZR 283/05).

Wer haftet, wenn Versorgungsleitungen zu Stolperfallen werden?

Oberirdische Versorgungsleitungen für Kirmesbetriebe müssen mit möglichst geringem Stolper- und Sturzrisiko für Kirmesbesucher und Anlieger verlegt werden. In einem aktuellen Fall stürzte eine Anwohnerin während der alljährlich stattfindenden Pflaumenkirmes auf dem Bürgersteig vor ihrem Wohnhaus. Für den Sturz machte sie oberirdisch verlegte Kabelversorgungsleitungen des Kirmesbetriebs verantwortlich. Die lose verlegten Kabel waren nicht abgedeckt. Die Klägerin musste operativ versorgt und stationär behandelt werden – und verlangte vom beklagten Betrieb Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 Euro.

Das Oberlandesgericht entschied, dass der beklagte Betrieb auf Schadensersatz hafte, da er die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Dem durch die Leitungen gegebenen Stolper- und Sturzrisiko müsse mit einer sorgfältigen Verlegung beziehungsweise Abdeckung der Leitungen entgegengewirkt werden, weil der Kirmesbereich mit seinen wechselnden Attraktionen die Aufmerksamkeit des Besuchers auf sich ziehe und sie vom Bodenbereich ablenke. Ohne erkennbare Streckenführung, lose und ohne Abdeckung verlegte Leitungen erhöhten das Stolper- und Sturzrisiko und begründeten eine abhilfebedürftige Gefahrenquelle.

Im konkreten Fall musste sich die Klägerin allerdings ein mit 50 Prozent zu bemessendes Mitverschulden entgegenhalten lassen, weil die Kabel bereits seit einigen Tagen vor ihrem Grundstück gelegen hätten und der Klägerin der unzureichende Verlegungszustand bekannt gewesen sei, so die ARAG Experten (OLG Hamm, Az.: 9 U 114/14).

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