
Schutzimpfungen: Wenn Eltern uneinig sind
20.04.2021
Wenn getrennt lebende Eltern sich nicht über das Thema Impfen einigen können, müssen manchmal die Gerichte entscheiden. Wir nennen Ihnen zwei Urteile.
Urteil beim Oberlandesgericht Frankfurt (2021)
Nach Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) müssen laut Masernschutzgesetz, das am 1. März 2020 in Kraft getreten ist, alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr beim Eintritt in den Kindergarten oder die Schule eine Masern-Impfung vorweisen. Dieser Nachweis muss auch bei der Betreuung durch eine Kindertagespflegeperson vorliegen.
Was geschieht aber nun, wenn sich Eltern, die beide das Sorgerecht haben, nicht einig sind über empfohlene oder angeordnete Impfungen ihres gemeinsamen Kindes? Wer entscheidet? Nach Auskunft der ARAG Experten liegt die Entscheidung bei dem Elternteil, der sich an die Empfehlungen der STIKO hält, in diesem Fall also für die Masern-Impfung des Kindes ist (Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Az.: 6 UF 3/21).
Urteil beim BGH (2017)
Vater und Mutter einer 2012 geborenen Tochter stritten durch mehrere Instanzen hindurch über die Notwendigkeit von Schutzimpfungen. Die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern sind nicht verheiratet, die Tochter lebt bei der Mutter. Sie haben wechselseitig die Alleinübertragung der Gesundheitssorge beantragt. Der Vater befürwortet die Durchführung der altersentsprechenden Schutzimpfungen; die Mutter ist der Meinung, das Risiko von Impfschäden wiege schwerer als das allgemeine Infektionsrisiko. Das Amtsgericht (AG) hat dem Vater das Entscheidungsrecht über die Durchführung von Impfungen übertragen. Auf die Beschwerde der Mutter hat das Oberlandesgericht (OLG) es bei der Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf den Vater belassen, diese aber auf Schutzimpfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Pneumokokken, Rotaviren, Meningokokken C, Masern, Mumps und Röteln beschränkt.
Das Wohl des Kindes zählt
Die erneut eingelegte Rechtsbeschwerde der Mutter zum BGH ist ohne Erfolg geblieben. Die Durchführung von Schutzimpfungen stellt keine alltägliche Angelegenheit dar, welche laut BGB in die Entscheidungsbefugnis des Elternteils fällt, bei dem sich das Kind aufhält. Es ist vielmehr eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind. Darum kann das Familiengericht, wenn sich die Eltern nicht einigen können, auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Entscheidungskompetenz ist in so einem Fall dem Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird, so die ARAG Experten.
Die angerufenen Gerichte haben den Vater mit Recht als besser geeignet angesehen, um über die Durchführung der aufgezählten Impfungen des Kindes zu entscheiden. Es hat hierfür in zulässiger Weise berücksichtigt, dass der Vater seine Haltung an den Empfehlungen der STIKO orientiert. Die Impfempfehlungen der STIKO sind vom Bundesgerichtshof bereits als medizinischer Standard anerkannt worden. Den von der Mutter erhobenen Vorbehalten, die aus ihrer Befürchtung einer „unheilvollen Lobbyarbeit von Pharmaindustrie und Ärzteschaft“ resultieren, schenkten die Richter laut ARAG Experten keine Beachtung (BGH, XII ZB 157/16).
Gut zu wissen
Diese Impfungen empfiehlt die STIKO
Auf der aktuellen Liste der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) stehen Impfungen gegen dreizehn Infektionskrankheiten, die Kindern verabreicht werden sollten:
- Wundstarrkrampf
- Diphtherie
- Kinderlähmung
- Keuchhusten
- Pneumokokken
- Rotaviren
- Meningokokken C
- Masern
- Mumps
- Röteln
- Haemophilus influenzae Typ B
- Hepatitis B
- Varizellen (Windpocken)