Experteninterview zum Ehevertrag
09.10.2018
Mehr als jede dritte deutsche Ehe landet früher oder später vor dem Scheidungsrichter. Helfen kann ein Ehevertrag, der die Zukunft der Beteiligten sichert, wenn eine Ehe scheitert. ARAG Rechtsexperte Tobias Klingelhöfer beantwortet die wichtigsten Fragen zum Ehevertrag.
Tobias Klingelhöfer
Das war einmal, dass sich Reiche mit einem Ehevertrag davor schützen wollten, am Ende ihrer Ehe finanziell geschröpft zu werden. Heute sind es vor allem Frauen, die sich um die gemeinsamen Kinder kümmern und dafür zeitweilig ihren Beruf aufgeben, die sich verstärkt einen Ehevertrag wünschen. Laut einer Umfrage würde sich jeder dritte Single für einen Ehevertrag aussprechen. Dies kann insbesondere für Frauen wichtig sein, denn in dem Schriftstück können unter anderem zusätzliche Unterhalts- und Versorgungsansprüche festgelegt werden. Das ist wichtig, weil das Unterhaltsrecht Frauen, die sich der Kindererziehung gewidmet haben, deutlich schlechter stellt als früher.
Tobias Klingelhöfer
Es stimmt, dass auch ohne Ehevertrag niemand nach der Ehe im Regen steht: Haben die Eheleute nichts anderes vereinbart, leben sie in einer Zugewinngemeinschaft. Vereinfacht gesagt: Jedem Partner gehört das, was er vor der Ehe besessen hat; alles was im Verlauf der Ehe dazugekommen ist, wird geteilt. Bei traditioneller Rollenteilung ist das auch sehr sinnvoll, denn so erhält die Hausfrau und Mutter ihren Anteil am Ersparten, wenn sie ihrem Mann zur Seite stand, während er Karriere im Beruf machte. Schwierig wird es allerdings, wenn einer der Partner zum Beispiel während der Ehe ein Unternehmen gründet oder sich selbstständig macht. Der Betrieb gehört dann zum Zugewinn und wird bei einer Scheidung womöglich ruiniert. Da ist es sehr sinnvoll, den Zugewinnausgleich in einem Ehevertrag zu modifizieren.
Tobias Klingelhöfer
Festgelegt werden kann so gut wie alles. Eine Ausnahme bilden nur Regelungen, die direkt die Kinder betreffen, also die elterliche Sorge oder etwa den Verzicht auf Unterhaltszahlungen für den Nachwuchs. Wichtig ist, dass die Partner die Spielregeln für eine eventuelle Trennung festlegen, solange das gegenseitige Vertrauen und die Wertschätzung des jeweils anderen noch Bestand hat. Ist der gemeinsame Lebensentwurf nämlich erst einmal gescheitert, machen Misstrauen und Argwohn eine faire und gütliche Trennung oft unmöglich.
Tobias Klingelhöfer
Ganz klar nein! Ein Ehevertrag besitzt nur dann seine volle Gültigkeit, wenn er von beiden Partnern im Beisein eines Notars unterzeichnet wird und ein notarielles Siegel trägt. Möglich ist jedoch eine Stellvertretung, da der Abschluss des Vertrages kein sogenanntes höchstpersönliches Rechtsgeschäft ist.
Tobias Klingelhöfer
Ein Ehevertrag ist eine sehr persönliche und individuelle Angelegenheit, ein Standardvertrag reicht da meist nicht aus. In der Praxis hat es sich bewährt, dass sich die Partner erst einmal einzeln und unabhängig voneinander beraten lassen, um dann aus den Wünschen, Ansprüchen und Bedürfnissen beider Seiten einen gemeinsamen Vertrag zu machen. Damit kann man sich dann viel gelassener den Herausforderungen der Eheschließung und des gemeinsamen Lebens stellen.
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Das passende Gerichtsurteil
Ein Ehevertrag kann nichtig sein
Das Oberlandesgericht Oldenburg hat einen Ehevertrag für nichtig erklärt, nach dem die Ehefrau weder Anspruch auf den Zugewinnausgleich noch auf Teilhabe an den Rentenansprüchen ihres Mannes gehabt hätte. Die Ehefrau hatte nach dem Tod ihres Mannes entgegen des geschlossenen Ehevertrages auch ihren Anspruch auf Zugewinnausgleich und damit eine Erhöhung ihres Anteils am Nachlass geltend gemacht und einen entsprechenden Erbschein beantragt. Das Amtsgericht lehnte dies ab. Schließlich habe die Ehefrau durch den notariellen Vertrag auf den Zugewinn verzichtet. Auf ihre Beschwerde hin gab das Oberlandesgericht der Frau Recht.
Nach dem Vertrag hätte die Frau weder Anspruch auf den Zugewinnausgleich noch auf Teilhabe an den Rentenansprüchen ihres Mannes gehabt und ihr Unterhaltsanspruch wäre auch weitgehend eingeschränkt worden. Dies sei jedenfalls in der Summe eine unangemessene Benachteiligung der Ehefrau, so der Senat und führe zur Nichtigkeit des Ehevertrags. Denn die Ehefrau befand sich bei Abschluss des Vertrages in einer Zwangslage und war ihrem künftigen Ehemann in Lebenserfahrung und Bildung deutlich unterlegen. Sie hatte damals als Auszubildende im Betrieb ihres 20 Jahre älteren künftigen Ehemannes gearbeitet, war hochschwanger und musste damit rechnen, dass die bevorstehende Hochzeit ohne ihre Unterschrift abgesagt werden würde. Weil der Ehevertrag nichtig sei, entfalte er auch keine Rechtswirkung, so das OLG. Damit haben die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt und deshalb sei der Anteil der Ehefrau am Nachlass des Ehemannes durch den Zugewinnausgleich erhöht, so die ARAG Experten (OLG Oldenburg, Az.: 3 W 21/17 (NL)).