Wie funktioniert eine Rechtsschutzversicherung? Vorgehen und Ablauf im Rechtsfall
Mit einer Rechtsschutzversicherung sind Sie bei rechtlichen Auseinandersetzungen rundum versorgt. Ein Blick hinter die Kulissen.
24.04.2023 • 5 min Lesezeit
Eintritt eines Rechtsfalls: So sollten Sie jetzt vorgehen
Bleiben Sie ruhig und sachlich. Obwohl bei einer rechtlichen Auseinandersetzung gerne einmal die Emotionen hochkochen, darf nicht überstürzt gehandelt werden.
Es ist immer hilfreich gleich zu Beginn eine professionelle Meinung hinzuziehen, da man den Konflikt als Laie nur selten rechtlich bewerten kann. Wenden Sie sich an Ihre Rechtsschutzversicherung, erklären Sie die Details und erhalten Sie eine erste Einschätzung. So wissen Sie genau, um was es überhaupt geht und welche Möglichkeiten Sie nun haben.
Sie haben keine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen? Alternativ können Sie auch direkt einen Anwalt kontaktieren. Rechtsbeistand kostet Geld – erst recht, wenn der Fall vor Gericht geht. Mit einer entsprechenden Rechtsschutzversicherung bleiben Ihnen hohe Anwalts- und Prozesskosten erspart. Einige Versicherungen bieten sofortigen oder sogar rückwirkenden Schutz an, sodass damit sogar Streitigkeiten übernommen werden können, die bereits bestehen.
Was bedeutet Rechtsschutz?
Im Grunde hat jeder Bürger die Möglichkeit, sein Recht vor unabhängigen Gerichten geltend zu machen. Dieses Recht wird als Rechtsschutz bezeichnet. Mittlerweile versteht man im Volksmund unter Rechtsschutz jedoch eher eine Rechtsschutzversicherung. Diese übernimmt bei rechtlichen Streitigkeiten die damit verbundenen Kosten. Sie müssen dann nur die Selbstbeteiligung selbst tragen, sofern Sie eine mit Ihrer Rechtsschutzversicherung vereinbart haben.
Eine Rechtsschutzversicherung bietet neben finanzieller Unterstützung auch beratende Hilfe bei juristischen Auseinandersetzungen durch fachkundige Rechtsanwälte, Mediatoren oder auch spezialisierte Rechtsdienstleister. So findet sich oftmals ein Weg der Einigung. Eine gute Rechtsschutzversicherung begleitet Sie auf allen Ebenen – das beginnt mit einer kostenlosen Erstberatung und endet im besten Fall mit einem geschlichteten Streit.
Rechtlichen Rat einholen
Ob Streit mit dem Vermieter wegen der Nebenkostenabrechnung, ein Mangel am Fahrzeug trotz mehrfachem Werkstattbesuch oder eine plötzliche Kündigung des Arbeitgebers: Holen Sie sich am besten gleich professionelle Unterstützung.
Rechtlichen Rat erhalten Sie bei einem Anwalt. Bereits in der Erstberatung wird Ihre individuelle Situation juristisch einschätzbar. Sie erhalten Informationen darüber, ob überhaupt Handlungsbedarf besteht und welche Schritte nun möglich sind. In den meisten Fällen wirkt so ein rechtlicher Rat von Experten beruhigend. Das hilft Ihnen dabei, den Sachverhalt objektiv zu betrachten, bevor Sie unnötig aktiv werden oder den Rechtsfall sofort melden.
Gut zu wissen: Eine Erstberatung durch einen von der Versicherung vermittelten Anwalt, ist bei den meisten Rechtsschutzversicherern kostenlos. Ein selbst gewählter Anwalt hingegen kann für ein erstes Beratungsgespräch bis 190 Euro (ohne MwSt.) verlangen.
So melden Sie einen Rechtsfall
Sie haben sich beraten lassen oder möchten den Versicherungsfall gleich so melden? Das geht am besten telefonisch oder über entsprechende Online-Formulare. Achten Sie darauf, alle relevanten Informationen zum Fall bereitzuhalten, wie zum Beispiel den Zeitpunkt des Vorfalls, eventuelle Zeugen oder Schadensbelege. Ihre Versicherungsnummer wird ebenfalls benötigt.
Sollten Sie sich für ein Online-Formular entscheiden, gehen Sie wie folgt vor:
- Rechtsgebiet auswählen (Arbeit, Miete, Auto, Reise, Finanzen oder Vertrag)
- Versicherungsdaten eintragen (Versicherungsnummer, Geburtsdatum etc.)
- Rechtsfall beschreiben (Informationen, Unterlagen oder Beweise)
- Formular abschicken
Im Anschluss erhalten Sie eine Bestätigung über die Meldung und innerhalb kurzer Zeit auch eine Rückmeldung von Ihrer Rechtsschutzversicherung. Sobald Sie einen Schaden bei ARAG gemeldet haben, können Sie den aktuellen Status Ihrer Anfrage im Schaden-Tracking nachverfolgen.
Deckungsanfrage stellen
Deckungsanfrage heißt eigentlich nichts anderes, als herauszufinden, ob Ihr Versicherungsfall von Ihrem Tarif abgedeckt ist und die entsprechenden Kosten übernommen werden. Die Beantragung erfolgt meist bereits mit der Schadenmeldung, kann aber auch zu einem späteren Zeitpunkt von Ihrem Anwalt übernommen werden.
Zwei Möglichkeiten zur Deckungsanfrage
-
Telefonisch, per Mail oder vor Ort:
Sie stellen die Deckungsanfrage selbst, bevor Sie einen Anwalt kontaktieren. -
Über Ihren Anwalt:
Sie sind bereits im Austausch mit dem Rechtsanwalt Ihrer Wahl? Auch er kann die Deckungsanfrage für Sie übernehmen. Manchmal ist das gerade für komplizierte Fälle ein sinnvoller Weg, da ein Anwalt die Erfolgschancen besser darstellen kann.
Was wird bei der Deckungsanfrage von der Rechtsschutzversicherung geprüft?
Anhand Ihrer Angaben wird geprüft, ob der Rechtsschutz greift. Diese Kriterien werden dafür genauer betrachtet:
- Liegt das richtige Rechtsgebiet vor und stimmen die vereinbarten Versicherungsbedingungen?
- Gibt es relevante vertragliche Risikoausschlüsse, aufgrund derer der Rechtsfall nicht abgedeckt ist?
- Gilt evtl. noch die Wartezeit oder können Sie bereits alle Leistungen Ihrer Rechtsschutzversicherung in Anspruch nehmen?
- Lag auch der Beginn des Versicherungsfalls bereits im versicherten Zeitraum?
- Besteht überhaupt eine Chance, dass der Rechtsstreit gewonnen werden kann? Es handelt sich zwar um eine Wertungsfrage, aber die Erfolgschancen können Einfluss auf die Deckungszusage haben.
- Wird die Versicherung mutwillig in Anspruch genommen, um eigene Interessen zu wahren?
Je nachdem, wie die einzelnen Punkte beurteilt werden, erhalten Sie eine Deckungszusage oder nicht.
Darauf sollten Sie bei der Beantragung einer Deckungsanfrage achten
Eine Deckungsanfrage ist streng genommen eine kostenpflichtige Leistung. In der Praxis ist dies bei den meisten Versicherern und Kanzleien jedoch ein Service, für den nicht gezahlt werden muss. Achten Sie unbedingt darauf, die Deckungszusage abzuwarten, bevor Sie weitere Schritte mit einem Anwalt gehen. Denn wird die Anfrage abgelehnt, müssen Sie die Kosten für Anwalt und Beratung selbst tragen. Zur Ablehnung kommt es beispielsweise bei vorsätzlichen Straftaten, Angelegenheiten zwischen gemeinsam versicherten Personen oder wenn der Prozess vor dem Verfassungsgericht ausgetragen werden muss.
Stellen Sie die Deckungsanfrage so ausführlich wie möglich. Für jeden Verfahrensschritt muss eine eigene Deckungsanfrage gestellt werden. Kann der Fall nicht außergerichtlich geklärt werden und soll nun vor Gericht, muss nach § 53 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) für einen möglichen Gerichtsprozess erneut eine Deckungsanfrage gestellt werden.
Prüfung des Rechtsfalls durch die Versicherung
Sobald alle notwendigen Informationen und Unterlagen vorliegen, prüft die Versicherung diese sorgfältig, um festzustellen, ob Ihr Rechtsfall tatsächlich abgedeckt wird – man spricht von einer Deckungsanfrage. Dabei werden die Bedingungen des Versicherungsvertrags und geltende Gesetze berücksichtigt. Bei einer telefonischen Schadenmeldung kann die Deckungszusage bei klaren Erfolgschancen sofort ausgesprochen werden.
- Ist der Rechtsfall abgedeckt, können Sie einen Anwalt oder Mediator beauftragen. Der Anwalt wird dann die rechtlichen Schritte einleiten bzw. der Mediator die Mediation vorbereiten.
- Ist der Rechtsfall nicht abgedeckt, müssen Sie für die Kosten für eventuelle rechtliche Schritte selbst aufkommen.
Deckungszusage nicht erhalten, was nun?
Wird Ihre Anfrage abgelehnt, haben Sie verschiedene Möglichkeiten, die Entscheidung überprüfen zu lassen. Welche Option genau der beste nächste Schritt ist, sollten Sie mit Ihrem Anwalt besprechen. Die Kosten für diese Beratung werden in der Regel nicht von der Rechtsschutzversicherung übernommen.
Instanzen, die die Entscheidung der Versicherung überprüfen können, sind z.B.
- Stichentscheid: Anwalt muss in einer Stellungnahme die Erfolgsaussichten oder Kosten begründen
- Schiedsgutachten: Gutachter der Rechtsanwaltskammer erstellt ein Gutachten. Fällt die Entscheidung dennoch gegen Sie, müsse Sie die Kosten selbst tragen.
- Versicherungsombudsmann: Kostenlose Einschätzung der Absage einer externen Schlichtungsstelle
Deckungszusage erhalten: So geht es jetzt weiter
Sobald Sie die Deckungszusage erhalten, wird das weitere Vorgehen geplant. Abhängig von Ihrem konkreten Fall können nun verschiedene Schritte eingeleitet werden – wie das Mediationsverfahren oder der Gang vors Gericht. Mit einer Deckungszusage können Sie sicher sein, dass die Kostenübernahme durch Ihre Rechtsschutzversicherung im Rahmen der Zusage abgedeckt ist. Die ARAG rechnet die Kosten gleich mit Ihrem Anwalt oder Mediator ab.
Selbstbeteiligung – Sie entscheiden
Die Selbstbeteiligung einer Rechtsschutzversicherung bedeutet, dass Sie im Falle eines Rechtsstreits die Kosten für Anwalt & Co. bis zu einer bestimmten Summe selbst tragen. Je nach festgesetzter Höhe werden erst die Kosten darüber übernommen. Je höher die vereinbarte Selbstbeteiligung, desto niedriger sind Ihre monatlichen Versicherungsbeiträge.
Gut zu wissen: Wenn Sie bei Ihren Versicherungsbeiträgen sparen möchten, ist eine hohe Selbstbeteiligung zu empfehlen. Haben Sie hingegen ein hohes Risiko, dass ein Rechtsfall eintritt, ist die Versicherung ohne Selbstbeteiligung die bessere Wahl.
Anwalt suchen
Bei einer Rechtsschutzversicherung haben Sie freie Wahl und können Ihren Anwalt selbst aussuchen. Alternativ kann Ihre Versicherung Ihnen einen passenden Anwalt empfehlen:
- Ein empfohlener Anwalt hat den Vorteil, dass Sie nicht selbst auf die Suche gehen müssen.
- Die Rechtsschutzversicherung kennt jeden Fall genau und kann dies dahingehend bei dem Vorschlag berücksichtigen.
- Einige Versicherer bieten bessere Konditionen, wenn Sie sich für den empfohlenen Rechtsbeistand entscheiden.
Wenn Sie einen Anwalt selbst suchen, haben Sie hierfür verschiedene Möglichkeiten:
- Online-Suche: Suchen Sie im Internet nach Anwaltskanzleien und lesen Sie Bewertungen von früheren Kunden.
- Empfehlungen: Fragen Sie Freunde oder Familienmitglieder, ob sie einen Anwalt empfehlen können. Vielleicht gibt es einen ähnlichen Fall, in dem bereits in der Vergangenheit geholfen wurde.
- Anwaltskammer: Die örtliche Anwaltskammer kann Ihnen eine Liste von Anwälten im jeweiligen Fachgebiet zur Verfügung stellen.
Mit einer ARAG Rechtsschutzversicherung haben Sie Zugriff auf ein umfangreiches Partnernetzwerk von Anwälten. Wir vermitteln gern den passenden Rechtsbeistand für Ihren Fall.
Mediation: die konfliktfreie Lösung
Nicht alle Rechtsstreitigkeiten müssen vor Gericht ausgetragen werden. In der Praxis ist die einfachere, entspanntere und meist auch schnellere Option die Mediation. Das Verfahren dient zur Konfliktlösung, indem eine dritte neutrale Person dabei hilft, eine faire Einigung für beide Parteien zu finden. Gemeinsam werden verschiedene Möglichkeiten erarbeitet, bis eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung gefunden ist.
Die Mediation kommt besonders häufig zum Einsatz, wenn eine gerichtliche Auseinandersetzung vermieden werden soll – besonders bei Familienkonflikten oder Streitigkeiten im Beruf.
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