Vormundschaft
Durch eine Vormundschaft erhalten Kinder ohne elterliche Sorge rechtliche und persönliche Fürsorge.
15.08.2024 • 6 min Lesezeit
Was ist Vormundschaft?
Vormundschaft ist die gesetzlich geregelte, rechtliche Fürsorge für eine minderjährige Person – auch Mündel genannt. Kinder sind bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres nicht voll geschäftsfähig und werden in der Regel von ihren Eltern vertreten. Wenn sie ihre elterliche Sorge für das Kind jedoch nicht ausüben, springt der Staat ein und stellt den Kindern einen Vormund. Dieser handelt fortan in Vertretung der Eltern und kümmert sich um das Kind oder den Jugendlichen.
Rechtliche Grundlage
Gemäß § 1626 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) haben Eltern die Pflicht und das Recht, für ihr minderjährige Kind zu sorgen. Wenn sie aufgrund von Krankheit, Unfall, Tod oder anderen Gründen dazu nicht in der Lage sind, kann die Vormundschaft abgegeben werden. Hier kommt das Familiengericht ins Spiel. Nach § 1773 Abs. 1 BGB muss dies eine Vormundschaft anordnen und einen Vormund benennen, wenn:
- das Kind keine elterliche Fürsorge hat,
- die Eltern nicht berechtigt sind, das Kind in persönlichen oder vermögensrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten, oder
- der Familienstand des Kindes nicht ermittelt werden kann (z. B. bei einem Findelkind).
Durch die Anordnung einer Vormundschaft wird sichergestellt, dass das Kind rechtlich und persönlich gut betreut wird.
Vormundschaft für Erwachsene gibt es nicht mehr
Volljährige können in Deutschland seit 1992 nicht mehr entmündigt und unter Vormundschaft gestellt werden. Stattdessen spricht man seitdem von Betreuung. Geregelt ist dies in § 1814 BGB. Demnach bestellt das Betreuungsgericht einen rechtlichen Betreuer, wenn ein Volljähriger seine Angelegenheiten ganz oder teilweise rechtlich nicht besorgen kann und dies auf einer Krankheit oder Behinderung beruht.
Wenn die Eltern pflegebedürftig werden – was ist mit der Vormundschaft im Pflegefall oder bei Demenz?
Wenn Eltern oder andere Angehörige zum Pflegefall werden und nicht mehr in der Lage sind, ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln, kann eine gesetzliche Betreuung notwendig werden. Diese Betreuung umfasst verschiedene Lebensbereiche und wird durch eine vom Betroffenen ausgewählte oder vom Gericht bestimmte Person übernommen.
Solange die pflegebedürftige Person noch entscheidungsfähig ist, kann sie selbst festlegen, wer sie in bestimmten Lebensbereichen vertreten soll. Zum Beispiel mit einer Vorsorgevollmacht, die mögliche Bereiche wie die Personen-, Gesundheits- und Vermögensfürsorge abgedeckt. Die vertretende Person wird direkt und ohne Gerichtsbeteiligung bestimmt. Im Gegensatz dazu wird bei einer Betreuungsverfügung das Gericht einbezogen. In dieser Verfügung legt die Person vorsorglich schriftlich fest, welche Person sie sich als Betreuer wünscht, falls sie selbst nicht mehr entscheiden kann. Das Gericht berücksichtigt ihre Wünsche und wählt den Betreuer, der dann unter der Aufsicht des Gerichts steht.
Gut zu wissen: Um einen Antrag auf Betreuung stellen zu können, ist der ausdrückliche Wille der pflegebedürftigen Person oder die Anregung eines Dritten erforderlich.
Was sind die Aufgaben und Pflichten des Vormunds?
Ein Vormund übernimmt eine zentrale Rolle im Leben eines Kindes oder Jugendlichen. Er oder sie trifft wichtige Entscheidungen, die sonst die Eltern treffen würden. Die Aufgaben eines Vormunds umfassen in erster Linie die Fürsorge und Erziehung des Mündels. Diese Verantwortung teilt sich in vier Hauptbereiche:
- Gesundheitsfürsorge: Entscheidungen zur medizinischen Versorgung und gesundheitlichen Belangen
- Vermögenssorge: Verwaltung und Schutz des Vermögens des Kindes, einschließlich finanzieller Angelegenheiten wie Hinterbliebenenrente oder Unterhalt
- Erziehungsrecht: Entscheidungen über die Erziehung, Schulbildung und Ausbildung
- Aufenthaltsbestimmungsrecht: Bestimmung des Wohnorts
Ein Vormund muss seine Entscheidungen stets im besten Interesse des Kindes treffen und das Mündel altersgerecht in wichtige Entscheidungen einbeziehen. Zudem sollte regelmäßiger persönlicher Kontakt mit dem Kind und dessen engen Bezugspersonen bestehen.
Gut zu wissen: Auch, wenn der Vormund über den Wohnort des Mündels entscheidet, leben die Kinder nur selten mit dieser Person zusammen. In der Regel wohnen sie in Einrichtungen der öffentlichen Erziehung, bei Pflegefamilien oder bei anderen Verwandten.
Vermögenssorge
Die Vermögenssorge soll sicherstellen, dass das Vermögen des Mündels geschützt und sinnvoll verwaltet wird. Der Vormund muss die Verwaltung des Vermögens sorgfältig dokumentieren. Jährlich ist dem Familiengericht darüber Rechnung zu legen. Dies gewährleistet Transparenz und stellt sicher, dass das Vermögen ordnungsgemäß verwaltet wird. Eltern, die einen Vormund benannt haben, können diesen von der jährlichen Rechenschaftspflicht befreien. Auch Jugendämter und Vormundschaftsvereine sind von dieser Pflicht kraft Gesetzes befreit.
Das Vermögen ist ausschließlich im Interesse des Mündels zu verwenden. Dies umfasst:
- Deckung der Lebenshaltungskosten
- Maßnahmen zur Erhaltung des Vermögens
- Anlage des Vermögens, um dessen Wert zu steigern
- Ausgaben, die im Zusammenhang mit der Verwaltung des Vermögens entstehen
Bei Erreichen der Volljährigkeit wird es an das Mündel herausgegeben.
Gut zu wissen: Der Vormund muss sorgfältig und verantwortungsbewusst handeln, um das Vermögen des Mündels zu schützen und zu mehren. Für Schäden trägt er bzw. sie die Verantwortung.
Was darf ein Vormund nicht?
Ein Vormund hat die Aufgabe, im besten Interesse des Mündels zu handeln. Es gibt jedoch klare Grenzen und Regeln, was ein Vormund nicht tun darf:
- Bestimmte medizinische Eingriffe, insbesondere risikoreiche oder dauerhafte, dürfen nicht ohne Zustimmung des Gerichts vorgenommen werden.
- Der Vormund darf nicht eigenmächtig auf Rechte des Mündels, wie Unterhaltsansprüche oder Erbschaften, verzichten, ohne gerichtliche Zustimmung.
- Bedeutende Vermögensangelegenheiten wie der Verkauf von Immobilien oder die Aufnahme von Darlehen benötigen die Genehmigung des Familiengerichts.
Wer übernimmt die Vormundschaft?
Die Vormundschaft wird in der Regel vom Familiengericht angeordnet – sofern kein Vorschlag der Eltern vorliegt. Dabei gibt es mehrere Möglichkeiten, wer die Rolle des Vormunds übernehmen kann:
- Häufig werden Verwandte oder nahe Freunde der Familie als Vormund bestimmt. Dies ist besonders dann der Fall, wenn die Eltern in einer letztwilligen Verfügung eine Person benannt haben, die im Falle ihres Todes die Vormundschaft übernehmen soll. Das Gericht berücksichtigt diese Wünsche, solange sie dem Wohl des Kindes dienen.
- Wenn keine Verwandten oder Freunde verfügbar sind, können ehrenamtliche Vormünder wie Pflegeeltern eingesetzt werden. Diese engagierten Personen werden oft durch Vormundschaftsvereine vermittelt und müssen eine Schulung absolvieren, um sicherzustellen, dass sie für die Aufgabe geeignet sind.
- In einigen Fällen übernimmt ein Berufsvormund die Verantwortung. Das sind in der Regel Sozialarbeiter oder Pädagogen, die mehrere Vormundschaften gleichzeitig betreuen können. Sie erhalten eine Vergütung für ihre Tätigkeit und sind speziell dafür ausgebildet, sich um die rechtlichen und persönlichen Belange der Kinder zu kümmern.
- Wenn sich niemand findet, kann das Jugendamt oder ein anerkannter Vormundschaftsverein die Vormundschaft übernehmen.
Das Familiengericht wählt den am besten geeigneten Vormund basierend auf der konkreten Lebenssituation des Kindes aus. Dabei werden die Wünsche des Kindes und die Eignung des möglichen Vormunds berücksichtigt.
Amtsvormundschaft durch das Jugendamt
Wenn das Jugendamt die Vormundschaft für ein Kind übernimmt, tritt eine Amtsvormundschaft ein. Dies geschieht in Fällen, in denen keine geeignete Einzelperson als Vormund zur Verfügung steht oder schnell eine rechtliche Vertretung notwendig ist.
Die Amtsvormundschaft wird nach § 1786 BGB geregelt und erfolgt durch eine gerichtliche Anordnung. Wenn den Eltern das Sorgerecht entzogen wird und keine geeigneten Verwandten oder andere Vormünder vorhanden sind, bestellt das Gericht das Jugendamt als Vormund. Dies kann auch automatisch in bestimmten Situationen geschehen, beispielsweise bei Kindern von minderjährigen Müttern oder Kindern, deren Eltern unbekannt sind.
Der Amtsvormund hat die gleichen Rechte und Pflichten wie ein privater Vormund. Dazu gehören die Personen- sowie Vermögenssorge und die rechtliche Vertretung.
Ehrenamtliche Vormundschaft
Bei einer ehrenamtlichen Vormundschaft übernimmt eine Privatperson freiwillig die rechtliche und persönliche Fürsorge für ein minderjähriges Kind.
Grundsätzlich kann jede geeignete Person ehrenamtlicher Vormund werden. Dazu gehören oft Verwandte, Freunde der Familie oder engagierte Bürger, die bereit sind, diese Verantwortung zu übernehmen. Bevor jemand als ehrenamtlicher Vormund eingesetzt werden kann, wird die Eignung überprüft. Etwa sollte die Person vertrauenswürdig und zuverlässig, sowie körperlich und geistig gesund sein. Im Idealfall besteht auch eine emotionale Bindung zu dem Kind bzw. die Bereitschaft, eine aufzubauen.
Ehrenamtliche Vormünder werden in ihrer Rolle nicht allein gelassen. Sie erhalten Unterstützung in Form von Schulungen, Beratung und Hilfe durch Vormundschaftsvereine und das Jugendamt.
Vormundschaft übernehmen: Das müssen Sie wissen
Die Übernahme einer Vormundschaft ist eine wichtige und ehrenvolle Aufgabe. Sie geht aber auch mit einer Menge Verantwortung einher. Als Vormund übernehmen Sie umfassende Verpflichtungen in Form von vollständiger rechtlicher und persönlicher Fürsorge für das Kind. Dies bedeutet, dass Sie fortan Entscheidungen in allen wichtigen Lebensbereichen des Kindes treffen müssen.
Regelmäßiger persönlicher Kontakt mit dem Mündel ist unerlässlich. Sie sollten das Kind häufig besuchen und eine enge Beziehung aufbauen. Ein gutes Verhältnis trägt wesentlich zum Wohlbefinden des Kindes bei und erleichtert die Betreuung.
Neben den formalen Kriterien sollten Sie sich auch selbstkritisch fragen, ob Sie die nötige Zeit, Energie und emotionale Stabilität haben, um diese Rolle zu übernehmen. Die Aufgabe eines Vormunds erfordert viel Engagement und kann sehr herausfordernd sein, aber sie ist auch eine lohnende Möglichkeit, einem Kind in Not zu helfen und einen positiven Einfluss auf sein Leben zu haben.
Vormundschaft beantragen: So geht‘s
Eine Vormundschaft wird in der Regel vom Familiengericht angeordnet, wenn ein minderjähriges Kind keine elterliche Fürsorge mehr hat. Obwohl Privatpersonen keine Vormundschaft direkt beantragen können, gibt es Wege, wie Sie Vormund werden können.
Wenn Sie bereit sind, die Vormundschaft zu übernehmen, können Sie dem Familiengericht oder dem Jugendamt eine informelle Anregung zukommen lassen. In dieser Anregung sollten Sie erklären, warum Sie sich als Vormund eignen und welche Beziehung Sie zu dem Kind haben. Dies ist besonders hilfreich, wenn keine andere Person zur Verfügung steht, um die Vormundschaft zu übernehmen.
Sie können sich auch beim Jugendamt oder bei Vormundschaftsvereinen als ehrenamtlicher Vormund melden, da sie regelmäßig nach geeigneten Personen suchen. Folgende Schritte sind dabei üblich:
- Melden Sie Ihr Interesse an und lassen Sie sich registrieren.
- Lassen Sie Ihre charakterliche und gesundheitliche Eignung überprüfen. Dies beinhaltet oft ein Gespräch und möglicherweise eine Schulung.
- Sie nehmen an Schulungen teil, um sich auf die Aufgaben als Vormund vorzubereiten. Dies kann Themen wie rechtliche Grundlagen, Vermögenssorge und Erziehung umfassen.
Für komplexere Fälle oder wenn keine ehrenamtlichen Vormünder verfügbar sind, können Berufsvormünder eingesetzt werden. Dies sind häufig Sozialarbeiter oder Pädagogen, die speziell für diese Aufgabe ausgebildet sind und dafür eine Vergütung erhalten.
Wissenswertes für den Vormund
Hat Sie das Gericht als Vormund bestellt, erhalten Sie einen sogenannten Betreuerausweis. Dieser ist der offizielle Nachweis der Bestellung und weist Sie als rechtlichen Vertreter des Kindes aus. Mit dem Betreuerausweis können Sie demnach auch Ihre Befugnisse gegenüber Dritten, wie Behörden oder Banken, nachweisen.
Alle rechtlichen Grundlagen zur Vormundschaft sind, wie zu Beginn erwähnt, im Bürgerlichen Gesetzbuch festgelegt – insbesondere in den §§ 1773 bis 1812. Diese Regelungen sollen sicherstellen, dass die Vormundschaft im besten Interesse des Kindes erfolgt und die Rechte und Pflichten aller Beteiligten klar definiert sind.
Das Wichtigste aus dem Gesetz
-
Vormundschaftsbeginn (§ 1773 BGB):
Vormundschaft beginnt, wenn die Eltern des Kindes verstorben sind oder ihnen das Sorgerecht entzogen wurde. -
Bestellung des Vormunds (§ 1773 BGB):
Das Familiengericht bestellt den Vormund. -
Geeigneter Vormund (§ 1774 BGB):
Vormund kann eine natürliche oder juristische Person sein, die geeignet ist, das Wohl des Kindes zu gewährleisten. -
Pflichten des Vormunds (§ 1789 BGB):
Der Vormund hat die Pflicht, das Kind persönlich zu betreuen und dessen Vermögen zu verwalten. -
Aufsicht durch das Gericht (§ 1802 BGB):
Das Familiengericht überwacht die Tätigkeit des Vormunds. -
Vergütung und Auslagen (§ 1808 BGB):
Der Vormund hat Anspruch auf Vergütung und Ersatz seiner Auslagen. -
Beendigung der Vormundschaft (§ 1806 BGB):
Die Vormundschaft endet, wenn das Kind volljährig wird oder durch andere Umstände, wie z. B. Adoption.
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