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Auf den Punkt

 
  • Das BGB legt fest, dass Eltern die Pflicht haben, ihre Kinder zu pflegen, zu erziehen und zu beaufsichtigen.
  • Eine Übertragung der Aufsichtspflicht kann automatisch, vertraglich oder auch mündlich vereinbart werden.
  • Wird die Aufsichtspflicht verletzt, können Schadensersatzansprüche entstehen.
  • Wann eine Verletzung der Aufsichtspflicht vorliegt, ist nicht pauschal definiert und hängt u. a. vom Alter und Charakter des Kindes sowie der Umgebung ab.

Das sagt das Gesetz zur elterlichen Aufsichtspflicht

Einerseits haben Kinder gemäß UN-Konvention das Recht auf elterliche Fürsorge. Auch im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ist klar definiert, dass Eltern die Pflicht haben, ihre Kinder zu pflegen, zu erziehen und zu beaufsichtigen (§§ 1626 ff. BGB). Andererseits sollen Eltern Kinder zu selbstständigem und verantwortungsbewusstem Handeln erziehen; auch das steht im BGB. Erziehung ist rechtlich also nicht eindeutig geregelt und bewegt sich zwischen Kontrolle und Loslassen, zwischen Aufsichtspflicht und Selbstständigkeit der Kinder.

 

Übertragung der Aufsichtspflicht

Natürlich kommt es vor, dass Eltern aus verschiedenen Gründen ihrer Aufsichtspflicht temporär nicht nachkommen können. Zum Beispiel, wenn die Kinder in die Schule gehen. Bei öffentlichen Schulen liegt die gesetzliche Aufsichtspflicht während der Schulzeit gemäß BGB automatisch beim Betreuungs- und Lehrpersonal. Dies gilt auch für öffentliche Kindergärten.

Bei privaten Schulen oder Kitas in privater Trägerschaft wird die Aufsichtspflicht vertraglich übertragen – meistens bei der Anmeldung des Kindes in der Einrichtung. Durch die Unterschrift der Eltern wird diese für die Dauer ihrer Abwesenheit an das Lehr- und Betreuungspersonal übertragen. Weitere Beispiele für eine vertragliche Übertragung der Aufsichtspflicht sind zum Beispiel Kindermädchen oder private Musiklehrer.
Natürlich muss nicht jeder Babysitter einen Vertrag mit Ihnen abschließen. Auch mündliche Vereinbarungen sind geltend. In der Regel ist das zum Beispiel auch der Fall, wenn die Nachbarn oder Großeltern auf das Kind aufpassen.

 

Ab wann dürfen Kinder alleine bleiben?

Wie bei allen Empfehlungen gilt, dass es auf den Einzelfall ankommt. Wer sein Kind in welchem Alter wie lange alleine lässt, ist individuell verschieden und abhängig vom Charakter und der Reife des Kindes.

 

Altersempfehlungen

  • Kinder unter drei Jahren sollte man auf keinen Fall alleine lassen.
  • Ab dem vierten Lebensjahr ist es in Ordnung, wenn das Kind etwa 15 bis maximal 30 Minuten ohne Aufsicht in den eigenen vier Wänden bleibt. Auch auf Spielplätzen oder einem anderen sicheren Gelände ist es grundsätzlich möglich, Kindergartenkinder für diesen Zeitraum alleine spielen zu lassen. Allerdings sollten die Eltern immer in Rufnähe sein und sich nicht komplett entfernen.
  • Ab dem siebten Lebensjahr ist es auch schon mal möglich, bis zu zwei Stunden das Haus zu verlassen. Genug Zeit also, zum Frisör, zum Sport oder zum Shoppen zu gehen. Den Nachwuchs einen ganzen Arbeitstag lang unbeaufsichtigt zu lassen, ist nicht ratsam.
  • Ab circa zehn Jahren sind die Sprösslinge schon selbstständiger, sodass Sie als Eltern einen Kinobesuch wagen oder einer Einladung zu einer Party am Abend folgen können, vorausgesetzt, das Kind traut es sich selbst zu.
  • Bei Teenagern ab 14 sollte das Thema Alleinsein in der Regel keine Rolle mehr spielen.
Kinder alleine zuhause
 

Was passiert bei Verletzung der Aufsichtspflicht der Eltern?

Sobald Eltern ihre Aufsichtspflicht verletzen und ihr Kind einen Schaden verursacht, können Ihnen gegenüber Schadensersatzansprüche entstehen. Dazu heißt es in § 832 BGB: „Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit […] der Beaufsichtigung bedarf, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.“ Generell sind Kinder unter sieben Jahre aber deliktunfähig, im Straßenverkehr sogar bis zehn.

Die Frage, wann eine Aufsichtspflichtverletzung vorliegt, kann pauschal nicht beantwortet werden. Der Einzelfall zählt und ist u. a. von Faktoren wie Kindesalter, Kindesreife und Umgebung abhängig.

 

Weitere Fälle zum Thema Aufsichtspflicht

 

Kleinkind allein im Auto: Zündschlüssel mitnehmen!

Wer ein Kleinkind allein im Auto zurücklässt, sollte in jedem Fall den Fahrzeugschlüssel mitnehmen. Denn es liegt nicht völlig außerhalb des Gewöhnlichen, dass das Kind den Schlüssel ins Zündschloss steckt und das Auto startet. Die aufsichtspflichtige Person haftet dann für den entstehenden Schaden – dies entschied das Oberlandesgericht Oldenburg (Az.: 14 U 212/22).

 

Aufsichtspflicht im Straßenverkehr: Wer haftet?

Wie schwierig die Bewertung einer Verletzung der Aufsichtspflicht ist, zeigt ein Fall, in dem ein Sechseinhalbjähriger mit einem Kettcar vom Tankstellengelände auf die Straße fuhr und dabei mit einem Auto zusammenstieß. Die Fahrerin hatte den Jungen zwar beim Auffahren auf die Tankstelle gesehen, bemerkte ihn aber bei der Ausfahrt nicht. Der Junge blieb unverletzt, aber am Wagen der Fahrerin war ein erheblicher Schaden entstanden. Sie verlangte Schadensersatz, weil die Eltern ihrer Ansicht nach ihre Aufsichtspflicht verletzt hatten.

Doch das Gericht entschied auf eine hälftige Schadensteilung. Die Fahrerin hätte besonders aufmerksam fahren müssen, da sie den Jungen auf seinem Tretauto zuvor bereits gesehen hatte. Die Eltern hingegen verletzten in der Tat ihre Aufsichtspflicht, indem sie ihren Sohn unbeaufsichtigt mit einem Kettcar im öffentlichen Verkehrsraum fahren ließen. Da half auch nicht das Argument der Eltern, dass ihr Kind mehrfach über das korrekte Verhalten im Straßenverkehr aufgeklärt worden sei oder allein zum Schulbus laufe (Amtsgericht Zeitz, Az.: 4 C 22/18).

 

Gewalttätige Videospiele – Eltern können Sorgerecht verlieren

Eltern müssen sicherstellen, dass ihre minderjährigen Kinder keinen Zugang zu Videospielen mit jugendgefährdenden Inhalten haben. Ansonsten machen sie sich der Kindeswohlgefährdung schuldig. Im schlimmsten Fall droht dann die Beschränkung oder sogar der Entzug des elterlichen Sorgerechts. In einem konkreten Fall hatten Eltern ihrem zehnjährigen Sohn erlaubt, gewalttätige Konsolenspiele zu spielen, die erst ab 18 Jahren freigegeben waren. Das Argument: Auch gleichaltrige Freunde spielten nicht für Minderjährige freigegeben Spiele. Bei einem Verbot würde der eigene Sohn womöglich ausgegrenzt und zum Außenseiter. Doch die Richter sahen das als Verletzung der Aufsichtspflicht an und untersagten es den Eltern, ihrem Zehnjährigen weiterhin den Zugang zu solchen Spielen zu ermöglichen (Amtsgericht Bad Hersfeld, Az.: 63 F 290/17 SO).

 

Elterliche Aufsichtspflicht reicht nicht bis zur Toilette

Hut ab, wenn ein dreijähriger Knirps es schon ohne Mamas Hilfe auf die Toilette schafft. Und das auch noch nachts. Doch darf er das? Oder verletzt die Mutter in dem Fall ihre Aufsichtspflicht, wenn dabei etwas passiert? Nein, sagen die ARAG Experten, und weisen darauf hin, dass ein Dreijähriger in einer geschlossenen Wohnung nicht mehr unter ständiger Aufsicht stehen muss.

In einem konkreten Fall war der nächtliche Gang zur Toilette schief gegangen: Der Junge hatte es gut gemeint und eine große Menge Toilettenpapier benutzt, das den Abfluss verstopfte. Aufgrund eines kaputten Spülknopfes lief ununterbrochen Wasser nach, sodass das Badezimmer unbemerkt überschwemmte und in die Wohnung darunter tropfte. Den Schaden von 15.000 Euro forderte die Wohngebäudeversicherung in Teilen von der Mutter zurück, da sie nach Ansicht der Versicherung ihre Aufsichtspflicht verletzt habe. Doch die Richter waren der Ansicht, dass es ausreichend sei, wenn sich die Mutter in Hörweite befinde (Oberlandesgericht Düsseldorf, Az.: 4 U 15/18).

 

Warum ein Siebenjähriger für einen Kratzer am Auto nicht haften musste

Kinder haften nicht für Beschädigungen an geparkten Fahrzeugen, wenn der Schaden bei altersgemäß falscher Einschätzung der im Verkehr bestehenden Gefahren zugefügt wurde. Die Klage eines Mannes auf Schadensersatz in Höhe von 1468,34 Euro wegen eines Kratzers, den ein siebenjähriger Schüler mit dem blanken Ende eines Kickboard-Lenkers verursacht hatte, blieb demnach erfolglos. Der Kläger trägt vor, dass sich bald nach dem Schadensereignis der Stiefvater des Jungen bei ihm gemeldet und für den gerade verursachten Schaden entschuldigt habe.

Der als Zeuge einvernommene 43-jährige Stiefvater gab an, dass der Junge die ihm und seiner älteren Schwester gehörenden Kickboards, die sie beide woanders abgestellt hatten, wiederholen wollten. In der Wohnstraße mit Tempo 30 habe ein Pkw ausgeparkt und sei nicht allzu schnell am Jungen vorbeigefahren, als dieser im Begriff war mit den Kickboards an beiden Händen die Straße zu überqueren, um zur restlichen Familie zu kommen. Er sei dann beim Vorbeifahren des Pkw mit dem rechten Kickboard-Lenker an dem geparkten klägerischen Auto hängen geblieben. Der Lenker habe leider keine Gummigriffe gehabt. Man habe dann den Schaden angesehen. Es habe sich um einen frischen langen Kratzer an der Fahrertür und am Kotflügel des noch sehr gut erhaltenen Autos gehandelt.

Der zuständige Richter wies die Klage ab. Die Klagepartei habe gegen den Beklagten keine Ansprüche auf Schadensersatz. Der Gesetzgeber habe Kinder zwischen dem siebten und dem vollendeten zehnten Lebensjahr von Haftung freistellen wollen, wenn sich bei der gegebenen Fallkonstellation eine typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs realisiert habe. Der vorliegende Fall unterscheide sich aber dadurch, dass auch nach dem Vortrag der Klagepartei das Kind einem anderen fahrenden Kraftfahrzeug ausgewichen sei und dabei den Schaden verursacht habe. Dementsprechend handele es sich nicht allein um die Beschädigung eines abgestellten Pkws, sondern Unfallursache sei ebenfalls ein bewegtes Kraftfahrzeug gewesen. Die Fähigkeit, Entfernungen und Geschwindigkeiten richtig einzuschätzen und sich entsprechend dieser Gefahren zu verhalten sei vorliegend relevant gewesen (AG München, Az.: 345 C 13556/17).

 
 

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