Erbe ausschlagen: Wann verzichten besser ist
Sie haben die Wahl: Als Erbe können Sie eine Erbschaft – Vermögen samt Schulden – annehmen oder das gesamte Erbe ausschlagen. Erfahren Sie jetzt, was es dabei zu beachten gilt.
26.10.2021 • 4 min Lesezeit
Eine Erbschaft kann Sie zu Vermögen bringen, aber ebenso mit Pflichten verbunden sein. Zum Beispiel die Schulden des Erblassers zu begleichen. Dieses ist sehr ungünstig, wenn der Nachlass in erster Linie aus Verbindlichkeiten besteht.
Schlagen Sie das Erbe aus, müssen Sie die Schulden des Erblassers nicht tilgen, aber haben natürlich auch keinerlei Ansprüche auf die positiven Vermögenswerte. In der Regel können Sie auch keinen Pflichtteil einfordern und keine persönlichen Erinnerungsstücke wie Briefe oder Fotos behalten. Es gilt alles oder nichts.
Sie müssen allerdings nicht blind entscheiden, sondern haben die Möglichkeit, sich einen Überblick über die Vermögens- und Schuldenverhältnisse des Erblassers zu verschaffen. Entschließen Sie sich dann dafür, das Erbe auszuschlagen, werden Sie rechtlich so behandelt, als wären Sie verstorben.
An Ihre Stelle treten entweder die im Testament genannten Ersatzerben oder die nach gesetzlicher Erbfolge nächstberechtigten Erben, also möglicherweise Ihre Kinder. Sind diese minderjährig, müssten beide Elternteile für sie aktiv werden und ebenfalls das Erbe ausschlagen. Erben einer Erbengemeinschaft entscheiden jeder für sich. Teilen Sie Ihren Verwandten vorsichtshalber mit, dass das Erbe verschuldet ist.
Haben sämtliche gesetzlichen Erben das Erbe ausgeschlagen, erbt der Staat. Das Vermögen inklusive der Schulden geht an das jeweilige Bundesland über.
Wann Erbe ausschlagen sinnvoll sein kann
Nicht nur, wenn Schulden im Spiel sind, kann es klüger sein, ein Erbe auszuschlagen. Sinnvoll ist dieses zum Beispiel auch in folgenden Fällen:
Erbe ausschlagen als Ehepartner
Für Ehepartner, die in Zugewinngemeinschaft gelebt haben, gelten besondere Bestimmungen. Sie können eine Erbschaft ausschlagen und trotzdem den Pflichtteil erhalten. Wenn der verstorbene Ehegatte einen hohen Zugewinn erwirtschaftet hat, ist es für den Überlebenden manchmal besser, die Erbschaft auszuschlagen und den Ausgleich des Zugewinns zu verlangen. Dazu kommt noch der Pflichtteil vom restlichen Erbe.
Doppelte Erbschaftssteuer sparen
Ein kinderloser Erblasser hinterlässt sein gesamtes Vermögen seinem Bruder. Dieser hat drei Kinder, ist selbst bereits hochbetagt und hat die Erbschaft wirtschaftlich nicht nötig. Der Bruder sollte die Erbschaft ausschlagen. Nimmt er sie an, fällt nämlich zweimal Erbschaftssteuer an – zunächst, wenn er das Erbe antritt, und ein zweites Mal, wenn er verstirbt und seine Kinder erben. Wenn der Bruder hingegen die Erbschaft ausschlägt, erben die Kinder sofort und die Erbschaftssteuer ist nur einmal zu zahlen.
Erbe bei eigenen Schulden ausschlagen
Der Alleinerbe eines Vermögens von 150.000 Euro hat mehrere Kinder und hohe Schulden. Dieser Erbe sollte ausschlagen. Wenn er die Erbschaft annimmt, fällt der Nachlass wirtschaftlich gesehen vollständig an seine Gläubiger – die Kinder würden leer ausgehen. Schlägt er die Erbschaft hingegen aus, werden die Kinder Erben, ohne dass die Gläubiger an den Nachlass herankommen.
Erbe ausschlagen und Pflichtteilsanspruch gelten machen
Der Erblasser setzt ein Kind, das einen Pflichtteil im Wert von 20.000 Euro beanspruchen könnte, zu einem Wert von 22.000 Euro als Erben ein. Damit verbunden ist die Auflage, dem Tierschutzverein 20 Jahre lang jeweils 200 Euro zu spenden. Wer das nicht möchte, kann in diesem Fall ausnahmsweise das Erbe ausschlagen und den Pflichtteilsanspruch geltend machen. Dann nämlich entfällt die Auflage und das Kind erhält sein Geld ohne Abzüge.
So schlagen Sie ein Erbe aus
- Kommen Sie als Erbe in Betracht, sollten Sie sich zügig einen Überblick über Soll und Haben des Erblassers verschaffen. Sichten Sie die Papiere des Verstorbenen und sprechen Sie mit den Banken.
- Beantragen Sie zunächst keinen Erbschein. Denn sonst gilt das Erbe als angenommen!
- Entscheiden, ob Sie das Erbe annehmen oder nicht, müssen Sie sich innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag, an dem Sie von dem Erbe erfahren haben. Nur wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland hatte oder Sie sich als Erbe zu Beginn der Ausschlagungsfrist im Ausland aufhalten, verlängert sich die Frist auf sechs Monate. Wichtig: Versäumen Sie diese Fristen nicht, sonst erben Sie mit allen Konsequenzen!
- Entscheiden Sie sich dafür, das Erbe auszuschlagen, gehen Sie beim Amtsgericht am eigenen Wohnort oder dem des Erblassers zum Nachlassgericht und geben Sie Ihre Erklärung ab. Benötigte Unterlage: Ihr Ausweis.
- Sie können auch einem Notar erklären, dass Sie das Erbe ausschlagen möchten. Dieser leitet die Erklärung mit notarieller Beglaubigung an das zuständige Nachlassgericht weiter.
- Die Gebühren für das Ausschlagen eines Erbes richten sich nach dem Wert der Erbschaft. Sind es nur Schulden, fällt eine Mindestgebühr von 30 Euro beim Nachlassgericht an.
Erbschaft im Ausland – welches Recht gilt?
Komplizierter wird es, ein Erbe auszuschlagen, wenn der Verstorbene und der Erbe in verschiedenen Ländern leben, z. B. weil sie dort ihrem Beruf nachgehen. Betroffen sind aber auch Nachfahren von Verstorbenen, die ihren Altersruhesitz ins Ausland verlegt haben. Die Erben wurden bislang in Erbrechtsfällen oft nicht nach deutschem Recht behandelt.
Seit August 2015 gilt in fast allen EU-Staaten – mit Ausnahme von Dänemark, Irland und Großbritannien – die Europäische Erbrechtsverordnung. Damit sollen die zunehmenden grenzüberschreitenden Erbfälle vereinfacht werden. Maßgeblich ist nun das Recht des Staates, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Den zu bestimmen, ist nicht immer ganz unproblematisch.
Entscheidend ist, welchen Bezug der Verstorbene zu dem Land hatte, in dem er verstorben ist. Je enger der Bezug, umso wahrscheinlicher ist, dass das Erbrecht dieses Landes zur Anwendung kommt. Folglich kann das dazu führen, dass ein deutsches Testament z. B. in Frankreich nicht anerkannt wird. Vor diesem Risiko können sich die Parteien nur schützen, indem der Erblasser zu Lebzeiten mittels Erbvertrag oder Testament das gewünschte Erbrecht auswählt. Das ist jedoch nicht möglich, wenn der Erblasser die Staatsangehörigkeit des Landes hat, in dem er lebt, und schließlich auch verstirbt.
Wandern also z. B. Deutsche nach Frankreich aus, um dort zu leben und nehmen sie die Staatsangehörigkeit an, können sich ihre Erben nicht mehr auf deutsches Erbrecht berufen – und ihr Erbe nicht regulär nach deutschem Erbrecht ausschlagen.
Auch wenn die Regelungen vereinfacht wurden: Sobald das Erbe mehrere Länder betrifft, kann das zu erheblichen Nachteilen für die Erben führen. Daher ist es wichtig, sich zu Lebzeiten genau über das geltende Erbrecht zu informieren und ggf. Vorsorge zu treffen, wenn das Erbe nicht angetreten werden soll.
Erbe ausgeschlagen: Wer zahlt die Bestattung?
Allgemein gilt: Die Erben tragen die Kosten der Bestattung. Falls alle Erben die Erbschaft ausgeschlagen haben, haften als nächste die Unterhaltsverpflichteten. Das ist der hinterbliebene Ehepartner oder sind bei Minderjährigen die Eltern beziehungsweise die erwachsenen Kinder für ihre Eltern. Außerdem kann auch das Bestattungsgesetz des jeweiligen Bundeslandes die nächsten Angehörigen in die Pflicht nehmen. Fehlen die Mittel, tritt eventuell die Sozialhilfe für die Kosten ein.
Fallbeispiel:
In einem vor Gericht entschiedenen Fall blieb ein Bestatter auf seinen Kosten sitzen: Lange vor ihrem Tod hatte eine Frau mit dem Unternehmen einen Vertrag über eine Feuerbestattung mit Beisetzung der Urne auf einem Friedhof abgeschlossen. Nach dem Tod der Frau kam es zum Streit um die Kosten, als der Alleinerbe – ein Tierheim – das Erbe ausschlug. Die Richter entschieden, dass der Bestatter sein unternehmerisches Risiko nicht auf den Sozialhilfeträger abwälzen kann, weil er nicht ausreichend sichergestellt hat, für seine Vertragspflicht auch eine Gegenleistung zu erhalten (Sozialgericht Berlin, Az.: S 88 SO 1612/10).
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