Freistellung – die Befreiung von der Arbeitspflicht
Werden Sie im Rahmen einer Kündigung oder eines Aufhebungsvertrags freigestellt, dürfen Sie zu Hause bleiben – meist bei vollen Bezügen. Doch das hat nicht nur Vorteile.
26.10.2015 • 5 min Lesezeit
Ob als Anordnung des Arbeitgebers oder einvernehmlich: Freistellung bezeichnet die Entbindung des Arbeitnehmers von seiner Arbeitspflicht. Bezahlt oder unbezahlt, befristet oder dauerhaft. Das hat arbeitsrechtliche Auswirkungen und – je nach Art der Freistellung – darüber hinaus sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen.
Auf den ersten Blick erscheint die Freistellung (auch Beurlaubung genannt) wie eine Win-Win-Situation. Und häufig ist sie das auch. So muss der das Unternehmen verlassende Arbeitnehmer nicht mehr im Büro erscheinen. Trotzdem erhält er bis zum Ende der Kündigungsfrist die volle im Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung. Ganz ohne Gegenleistung. Damit hat er die Zeit, seine Kündigung zu verarbeiten – und sich einen neuen Job zu suchen.
Der Arbeitgeber stellt seinerseits sicher, dass mit dem ausscheidenden Mitarbeiter keine sensiblen Daten und Firmengeheimnisse zu einem Wettbewerber wandern.
Daher überrascht es nicht, dass vor allem Führungskräfte oftmals mit sofortiger Wirkung von ihren Aufgaben entbunden werden. Zudem ist aus Sicht des Chefs nie auszuschließen, dass der Entlassene für Unruhe in Team oder Abteilung sorgt. Zum Beispiel weil er seiner Wut über die Kündigung lauthals Luft macht oder seine Aufgaben nur noch widerwillig oder unmotiviert erledigt.
Für Sie als Arbeitnehmer kann es entscheidende Folgen und durchaus auch Nachteile haben, freigestellt zu werden. Und diese sollten Sie kennen.
Grundsätzlich haben Sie als Arbeitnehmer den Anspruch auf Beschäftigung und Entlohnung – und zwar bis der Arbeitsvertrag beendet ist. In bestimmten Fällen hat der Arbeitgeber aber das Recht, Mitarbeiter freizustellen. Auch ohne deren Zustimmung.
Einseitige Freistellungen sind in folgenden Fällen zulässig:
- Kündigung nach Fehlverhalten, zum Beispiel aufgrund einer Straftat oder groben Verletzung des Arbeitsvertrags: Eine Weiterbeschäftigung ist dem Arbeitgeber nicht zumutbar.
- Suspendierung von Führungskräften
- Insolvenz des Unternehmens
- Der Arbeitnehmer hat noch Urlaubsansprüche, die in etwa der Kündigungsfrist entsprechen.
Erfolgt die Freistellung im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, besteht der Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung weiter. Das Gleiche gilt für die gesetzliche Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Sie sind dafür Ihrerseits verpflichtet, Ihre Verschwiegenheitsauflage und das Wettbewerbsverbot einzuhalten.
Einvernehmliche Freistellungen sind möglich bei:
- Kündigung und Aufhebungsvertrag
- Sabbatical (nach angesparter Arbeitszeit)
- Auftragsrückgang und Lieferengpass
- Altersteilzeit
Beruhigend zu wissen: Sie werden sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung freigestellt. Keine Sorge, während der Freistellung wird Ihr Gehalt in voller Höhe weitergezahlt. Sind Sie eingeschränkt tätig, beziehen Sie Ihre Durchschnittsvergütung der letzten drei Monate vor der Schwangerschaft.
Nach einer fristgemäßen Kündigung, Änderungskündigung oder einem Aufhebungsvertrag mit Auslauffrist können Sie sich dank der Freistellungsregelung um einen neuen Job kümmern. So muss Ihr Arbeitgeber Sie unter anderem für Vorstellungsgespräche, Bewerbertests und Beratungstermine bei der Agentur für Arbeit oder Jobvermittlern freistellen.
Hierzu muss ein ärztliches Attest vorliegen und es darf keine weitere Person geben, welche die Betreuung übernehmen könnte. Voraussetzung für die Pflege von Kindern ist außerdem, dass sie jünger als zwölf Jahre, hilfsbedürftig oder durch eine Behinderung beeinträchtigt sind. Nach Ablauf der bezahlten Freistellung besteht die Möglichkeit, sich unbezahlt weiter freistellen zu lassen – unterstützt durch das Krankengeld der gesetzlichen Krankenkasse.
Sie möchten in den Urlaub, um Abstand zur Kündigung zu gewinnen? Verreisen Sie lieber nicht zu weit! Denn Ihr Arbeitgeber kann Sie nach einer widerruflichen Freistellung jederzeit an Ihren Arbeitsplatz zurückbeordern. Jedenfalls dann, wenn die Aufgaben zumutbar sind.
Auf Verlangen müssen Sie Ihre Arbeitskraft also weiterhin bereitstellen. Und zwar bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Ihr Chef kann sein Recht auch aufgeben, Sie weiter zu beschäftigen. Stellt er Sie unter Anrechnung Ihrer offenen Urlaubsansprüche
Achtung:
Sperrfrist durch die Agentur für Arbeit
Das sollten Sie wissen: Bei einer unwiderruflichen, einvernehmlichen Freistellung wird eine Sperrzeit von zwölf Wochen bis zur Auszahlung des Arbeitslosengeldes verhängt. Zudem verkürzt sich die mögliche Bezugsdauer auf 9 Monate.
Wichtig: Melden Sie sich bei der Agentur für Arbeit mit Beginn der Freistellung arbeitssuchend, um die Sperrzeit zu minimieren.
Offene Urlaubsansprüche werden nicht auf Ihre Freistellung angerechnet. Es sei denn, es handelt sich um eine unwiderrufliche Freistellung, in der Ihr Arbeitgeber die Anrechnung von Urlaubsansprüchen ausdrücklich erklärt (das Gleiche gilt bei Freizeitausgleich). Bei widerruflicher Freistellung dürfen Urlaubsansprüche nicht verrechnet werden, ausschließlich die Anrechnung von Zeitausgleich von Überstunden ist zulässig.
In der Praxis erteilen Arbeitgeber deshalb oftmals zunächst Urlaub und ordnen erst danach die Freistellung an. Es sei denn, es existieren hierzu Regeln in Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder in der Betriebsvereinbarung.
Ihr Arbeitgeber hat nicht ausdrücklich erklärt, dass mit Ihrer Freistellung der verbleibende Resturlaub abgegolten sein soll? Ein Versäumnis, das sich für Sie rechnen kann! Denn in diesem Fall sind Sie berechtigt, die Abgeltung der nicht genommenen Urlaubstage zu fordern – und sich diese auszahlen zu lassen.
Freistellung und Wettbewerbsverbot
Solange der Arbeitsvertrag gültig ist, besteht für Sie als Arbeitnehmer ein Wettbewerbsverbot. Das bedeutet, Sie dürfen für kein konkurrierendes Unternehmen arbeiten und keine Geschäfte im gleichen Tätigkeitsbereich wie Ihr Arbeitgeber machen. Auch nicht auf eigene Rechnung.
Wenn Ihr Arbeitgeber Sie freistellt, kann er das Wettbewerbsverbot für Sie aber beenden. Stimmt er zu, dürfen Sie für einen Betrieb im Wettbewerbsumfeld tätig sein. Damit ist es möglich, zwei Einkommen gleichzeitig zu beziehen – das Gehalt des Konkurrenzunternehmens und den Lohn des Betriebs, aus dem Sie ausscheiden. Es sei denn, es wurde vereinbart, dass der während der Freistellung erworbene Zusatzverdienst auf die fortlaufenden Bezüge angerechnet wird.
Volle Bezüge ohne erbrachte Arbeitsleistung – zugegeben, das klingt zunächst toll! Nur zu gerne genießt man die neu gewonnene Freizeit. Endlich können Sie durchatmen. Nach den emotionalen Belastungen der Kündigung wieder zur Ruhe kommen. Und trotz engagierter Jobsuche bleibt noch Zeit, persönlichen Interessen nachzugehen.
Es gibt aber auch negative Seiten. Vielleicht fehlt Ihnen beispielsweise das gute Gefühl, das mit der Bewältigung anspruchsvoller Aufgaben einhergeht. Andere Folgen wirken sich eventuell sogar direkt auf Ihre weitere Karriere aus. So kann Ihr Ruf bei Kunden und Kollegen (denen Sie möglicherweise später branchenbedingt wiederbegegnen) leiden. Denn niemand weiß, was hinter Ihrer Freistellung wirklich steckt: Das befeuert Gerüchte!
Zudem sind Sie von der Kommunikation im Unternehmen abgeschnitten und können nicht mehr auf Informationen zugreifen.
Doch gerade der Zugang zu Daten könnte noch immens wichtig für Sie werden. Zum Beispiel, wenn Sie sich gegen unhaltbare Anschuldigungen verteidigen müssen.
So setzen Sie sich gegen Ihre Freistellung zur Wehr
Sie möchten gegen eine einseitig ausgesprochene Freistellung vorgehen? Selbstverständlich ist das möglich. Klagen Sie vor dem für Ihren Fall zuständigen Arbeitsgericht auf Weiterbeschäftigung bzw. stellen Sie einen Antrag auf einstweilige Verfügung. Wichtig: Sie müssen Ihren Arbeitgeber allerdings zuvor aufgefordert haben, Ihnen Zugang zu Ihrem Arbeitsplatz zu gewähren.
Noch ein Tipp:
Lassen Sie nicht zu viel Zeit verstreichen! Denn sonst kann es passieren, dass Sie nach einem Urteil in Ihrem Sinne zwar in Ihr altes Unternehmen zurückkehren – aber in einen anderen Tätigkeitsbereich.
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